Protest gegen die Einführung einer Pferdesteuer

Protest gegen die Einführung einer Pferdesteuer

Seit einigen Wochen formiert sich ein Widerstand gegen die Einführung einer Steuer, wie ich es bisher noch nicht beobachten konnte. Zwar hat das Thema noch nicht seinen Weg in die ganz großen Medien gefunden, aber das ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Seit die hessische Gemeinde Bad Sooden-Allendorf (BSA) die Einführung der Pferdesteuer beschlossen hat (der Satzungsentwurf soll am 14.12.2012 schlussgezeichnet werden), laufen Pferdefreunde deutschlandweit Sturm und das nicht zu Unrecht, wie ich finde.

Die Gemeinde BSA hat hessenweit nach eigenen Angaben die höchste Pro-Kopf-Verschuldung80 Millionen Euro Schulden verteilen sich auf 8400 Einwohner und ca. 150 Pferde. Diese 150 Pferde sollen im Rahmen des Sparprogramms der Gemeinde nun mit 200 Euro besteuert werden und der Gemeinde somit 30’000 Euro Einnahmen pro Jahr bringen. Sicher ein Tropfen auf den heißen Stein, aber irgendwo muss man ja mit dem Sparen anfangen, warum nicht bei den reichen Reitern?
So einfach ist es natürlich nicht, wenngleich die Argumente der Pro-Pferdesteuer-Seite auf den ersten Blick logisch klingen mögen.

Ausgleichende Gerechtigkeit – Hunde werden schließlich auch besteuert

Wenn Hunde besteuert, warum dann nicht auch Pferde? - Foto: N. Frank  / pixelio.de
Wenn Hunde besteuert, warum dann nicht auch Pferde? – Foto: N. Frank / pixelio.de

Eine Abwandlung, die ich neulich sah: Es wird ja nicht das Pferd besteuert, sondern die Haltung desselben. So liest sich auch der Satzungsentwurf von BSA, aber das ist Wortglauberei. Die Besteuerung von Hunden ist ein Relikt aus dem 18. Jahrhundert, als der Besitz eines Hundes, der nicht praktisch genutzt wurde (Jagd, etc.), als purer Luxus galt – das wurde früher aus Prinzip besteuert. Heute ist sie als Aufwandssteuer deklariert und steht keiner Gegenleistung der Gemeinde gegenüber wie etwa der Reinigung von Wegen. Sie wird aber auch gern als Lenkungssteuer bezeichnet, da sie durch ihre Ausgestaltung (jeder weitere Hund kostet mehr) durchaus dazu geeignet ist, den Hundebestand einer Gemeinde auf einem gewissen Niveau zu halten.
Diverse Gemeinden in Hessen wurden nun – anscheinend durch ein Handbuch zur Haushaltskonsilidierung der schwarz-gelben Landesregierung – angehalten zu prüfen, inwiefern eine Pferdesteuer als Aufwandssteuer eingeführt werden kann. Dies wäre gegenüber den Hundehaltern durchaus gerecht, wenn denn das Halten von Pferden nicht schon in diversen Variationen besteuert werden würde. Im Gegensatz zum Hund ist man als Pferdehalter stets auf Stallungen angewiesen, die unterhalten werden müssen. Als Selbstversorger müssen Stroh, Heu und Futter gekauft werden, welche natürlich mit einer Mehrwertsteuer belegt sind. Als Einsteller zahlt man Pensionskosten, welche seit 2006 dem erhöhten Mehrwertsteuersatz von 16%, 2007 dann 19% unterliegen, und in der Regel vollumfänglich auf den Einsteller umgelegt werden. Hinzu kommen natürlich Steuern, die bei Anschaffung vom Pferd selbst (seit 2012 übrigens auch 19% Mwst) bei gewerblichen Kauf anfallen sowie den vielen Ausrüstungsgegenständen, die man braucht. Nicht zu vergessen sind die Versicherungssteuern die bei Tierhalterhaftpflicht und ggf. OP-Versicherung anfallen. Das mögen unterm Strich Peanuts sein, stellen aber jetzt schon eine zusätzliche Belastung dar, die der Hundesteuer in etwa gleichkommt. Der Unterschied mag darin liegen, in welchen Topf die Steuer fließen.

Im Übrigen ist Deutschland eines der wenigen Länder, die Hundehaltung noch besteuert. Stattdessen Hundehalter nach einer Gleichberechtigung rufen derart, dass Pferdehalter auch zahlen, sollten sie doch andersrum und im Sinne des eigenen Geldbeutels argumentieren: Abschaffung der Hundesteuer! Ebenso irrsinnig halte ich die Forderung, die mancherorts durchgeklungen ist, doch gleich alle Haustiere mit einer Steuer zu belegen.

Pferde verdrecken die Straßen und beschädigen Wald und Flur

Das unbedachte Reiten über Felder kann Flurschäden verursachen. Brache Felder sind meist unkritisch. – Foto: Sabine Fischer / pixelio.deJa, da mag was dran sein, aber sind wir doch mal ehrlich: Was juckt es mein Auto, wenn Pferdeäpfel im Profil stecken. Viel mehr ärgert man sich doch über die kleinen, unscheinbaren Hundehaufen, die penetrant riechen und ewig im Schuh-Profil anhaften zu scheinen.
Wieder sachlich: Bei OpenPetition les ich das Argument, dass viele Gemeinde Reitwegenetze unterhalten, Reiter sich daran nicht halten und Waldwege beschädigen, was sehr teuer in der Reparatur wäre. Dies alles würde bereits von Steuergeldern gedeckelt. Das Anlegen und Unterhalten von Reitwegenetzen soll eigentlich mit den Einnahmen aus der Pferdeplakette erfolgen. Dafür zahlen (Aus-)Reiter jährlich einen Obulus und erhalten eine eindeutig identifizierbare Plakette. Flurschäden, die aus Unwissenheit, Dummheit oder Ignoranz – schwarze Schafe gibt es überall – entstehen, können darüber übrigens verfolgt und geahndet werden. Das setzt natürlich voraus, dass man den Übeltäter erwischt, aber das ist ja bei allen Ordnungswidrigkeiten so. Die Reitplakette ist somit eine sehr gezielt eingesetzte Einnahmequelle genau für diesen Zweck, womit dieses Argument bereits entkräftet wäre.

Wer sich ein Pferd leisten kann, wird ja wohl noch die paar Euro aufbringen können

Die Masse der Pferde sind keine Spitzenpferde zu Spitzenpreisen. - Foto: Thorben Wengert  / pixelio.de
Die Masse der Pferde sind keine Spitzenpferde zu Spitzenpreisen. – Foto: Thorben Wengert / pixelio.de

Das geht natürlich in die Richtung Luxussteuer, denn in vielen Köpfen scheint Pferdesport immernoch ein elitäres Vergnügen zu sein. Liest man Berichterstattungen über Pferdeauktionen mit Millionenerlösen oder – bestes Beispiel – den vermutlich 10 Millionen Euro teuren Totilas, mag das berechtigt sein, aber dies ist nun wirklich nur die Upper Class – dieses Klientel räuspert sich, lächelt und legt die Scheine auf den Tisch. Der Großteil der Pferde ist nun aber nicht Spitzensportler und verdient seinem Halter den Lebensunterhalt. Es ist ja auch nicht jeder Hobby-Läufer bei den Olympischen Spielen und das ist der entscheidende Punkt: Der Reitsport ist für die meisten Menschen ein Hobby und Turnierteilnahmen dienen dem persönlichen Ego oder dem sportlichen Vergleich, nicht aber dem Einkommen. Der Reitsport steht mittlerweile allen Schichten offen und das ist auch gut so, denn er fördert meiner Ansicht nach die soziale Kompetenz und ist nachgewiesener Weise gesund.
Demzufolge sparen sich viele Reiter ihr Hobby mühsam ab. Was andere für Urlaub oder teure Anschaffungen zurücklegen, investieren viele Reiter in ihr Hobby. Für diesen Ausgleich vom Alltag wird häufig knapp kalkuliert, mit Sicherheit auch manchmal zu knapp. Die Aussage „Wer sich gegen eine Pferdesteuer ausspricht, kann sich diese nicht leisten und somit auch nicht wirklich ein Pferd“ halte ich für hahnebüchen. Erstmal ist die Herleitung völlig unlogisch, denn nur weil ich mir eine Steuer „leisten“ kann, muss ich nicht dafür sein. Selbstverständlich sollte der eigene Geldbeutel nicht allzu knapp kalkuliert sein, so dass Sonderausgaben, die bei Pferden schnell mal sehr hoch werden können (Stichwort Tierarzt), unmöglich werden. Allein deswegen jemanden des Recht abzusprechen, Reitsport zu betreiben, finde ich unfair.
Es geht nicht darum, ob man sich eine Steuer leisten kann oder nicht, sondern die Sinnhaftigkeit!

Weitere Pro-Argumente …

Spitzensportler sind meist gesponsort und Berufsreiter. Sie wären von der Steuer befreit. - Foto: Paulwip  / pixelio.de
Spitzensportler sind meist gesponsort und Berufsreiter. Sie wären von der Steuer befreit. – Foto: Paulwip / pixelio.de

… sind eigentlich keine, sondern ähneln eher dem Gejammer im Kindergarten „Der hat mein Förmchen geklaut.“ Interessant ist, dass auf der Pro-Seite sehr oberflächlich argumentiert wird und wenig Hintergrundwissen herrscht. Da wird nach Kennzeichnungspflicht und Führerschein für’s Pferd gerufen. Alle Turnierreiter seien wohlhabend und auf jedem Pferd säßen „Doktortöchterchen“. Zur Kennzeichnungspflicht habe ich bereits etwas gesagt, zum Turnierreiten ebenfalls. Ergänzend dazu sei gesagt, dass Turnierreiter, die wirklich Geld mit Turnierstarts verdienen (die Spitzensportler eben), in der Regel Berufsreiter sind und nach dem Satzungsentwurf von BSA, der hier sicher beispielgebend ist, nicht steuerpflichtig wären, denn das Pferd wäre ja ihr Arbeitsmittel. Allgemein wären alle Pferde, die zu gewerblichen Zwecken gehalten werden, von der Steuer befreit und es träfe ausschließlich die Hobbysportler. Bezüglich des Führerscheins nur so viel: Den gibt es in gewisser Weise schon: der deutsche Reitpass, wenngleich er (noch) keine Bedeutung wie der Führerschein für Fahrzeuge hat. Der Besitz des Reitpass kann sich beispielsweise positiv oder negativ bei Unfällen auswirken. Wer nachweislich weiß, wie man zu Pferd eine Straße überquert, es dennoch falsch macht und somit einen Unfall verursacht, wird sicherlich im „Strafmaß“ anders behandelt wie jemand ohne das Wissen.
Dieser Punkt bezüglich der Straßensicherheit ist aber ein vollkommen anderes Thema, dass aus meiner Sicht aber ebenfalls in den Fokus gerückt werden sollte genauso wie die Schulung von Autofahrern, wenn es um Reiter im Straßenverkehr geht.

Contra: Die Pferdesteuer vernichtet Arbeitsplätze

Ein Beruf der abhängig vom Pferd ist: Hufschmied - Foto: Karl-Heinz Laube  / pixelio.de
Ein Beruf der abhängig vom Pferd ist: Hufschmied – Foto: Karl-Heinz Laube / pixelio.de

Das Argument ist sehr schlagkräftig, benötigt aber einer längeren Herleitung und greift erst bei einer flächendeckenden Besteuerung. Die Industrie um den Reitsport ist sehr umfangreich: Ausrüstung, Tierarzt, Versicherung, Hufschmied, Trainer, Pensionsställe, Heilpraktiker und und und. All diese Berufszweige verdienen pro Pferd, sichern Arbeits- und Ausbildungsplätze und haben Abhängigkeiten zu anderen Industriezweigen insbesondere der allgemeinen Landwirtschaft. Einzelne Existenzen fühlen sich bereits jetzt spürbar bedroht, wie ein Hof in der Gemeinde BSA: Erste Einsteller haben ihre Boxen gekündigt, um in einer steuerfreien Nachbargemeinde unterzukommen. Die Existenz dieses Hofes ist somit essentiell bedroht mit dem Nebeneffekt, dass der Gemeinde hier nicht nur die Steuereinnahmen der Pferde entgehen, sondern auch die Gewerbesteuer des Reitstalls, sollte dieser schließen müssen.
Diese „Steuerflucht“ ist für Hofbetreiber dramatisch, funktioniert für Pferdebesitzer aber nur solange, wie nur vereinzelte Gemeinden die Steuer erheben und Nachbargemeinden eben nicht. Bereits jetzt zeichnet sich trotz der Proteste aber ein Trend ab, sollte BSA die Steuer durchsetzen. Immer mehr Gemeinden entdecken die Idee für sich und sollte sich die Steuer flächendeckend durchsetzen, werden viele Pferdebesitzer ihr Hobby aufgeben müssen. Es sind immerhin Steuern an die 1000 Euro pro Jahr im Gespräch und Angleichungen zwischen den Gemeinden und Steuererhöhungen im Laufe der Zeit wäre absehbar. In der Folge würde immer weniger Dienstleister rund ums Pferd benötigt und nach und nach verschwinden Arbeitsplätze.

Der Reitsport wäre der erste besteuerte Sport in Deutschland

Therapiepferde sind von der Steuer ausgenommen, aber wann beginnt Therapie? - Foto: Martin Schemm  / pixelio.de
Therapiepferde sind von der Steuer ausgenommen, aber wann beginnt Therapie? – Foto: Martin Schemm / pixelio.de

Reiten ist Sport und wird von öffentlicher Hand gefördert. Reiten gehört außerdem zu den sechs Sportarten in Deutschland, die die harten Auflagen des Gesundheitssports erfüllen. Reiten wird zu therapeutischen Zwecken eingesetzt und erzielt erstaunliche Forschritte bei geistig und körperlich behinderten Menschen. Ein Großteil der aktiven Sportler sind Jugendliche.
Wird der Reitsport besteuert, würde all dies ad absurdum geführt werden oder spürbar eingeschränkt werden. Zwar wird beim Satzungsentwurf von BSA die Besteuerung von therapeutisch eingesetzten Pferden ausgeklammert, dennoch fragt man sich, wo die Grenze ist. Wann ist ein Pferd ein Therapiepferd? Ohne ausgebildetes Therapiepferd zu sein, kann der Kontakt am Koppelzaun schon Wunder bewirken. Außerdem werden die wenigstens Pferde ausschließlich als Therapiepferd eingesetzt, sondern ganz normal sportlich genutzt.
Am schlagkräftigsten dürfte hier jedoch ein Gutachten sein, welches die deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) bereits Anfang des Jahres in Auftrag gegeben hat, nachdem schon 2011 eine Welle der Empörung durch Deutschland ging. Das Ergebnis ist eindeutig: Eine Steuererhebung verstieße gegen so gut wie jede Landesverfassung, da u.a. die Besteuerung zur gemeindlichen Einnahmeerzielung die Ausübung einer anerkannten Sportart erschweren würde und somit der in den Landesverfassungen verankerten Sportförderung entgegenstünde.

Sollte die Steuer tatsächlich in BSA verabschiedet werden, dürfte der Gang vors Gericht sehr interessant werden. Ich hoffe nicht, dass es soweit kommt, sondern dass BSA sich besinnt und von der Pferdesteuer abrückt.

Heute, am 14.12.2012 um 18:30 Uhr findet in Bad Sooden-Allendorf eine offizielle Demonstration gegen die Einführung der Pferdesteuer statt. Angekündigt sind derzeit etwa 5000 Demonstranten. Jeder Reiter in Deutschland ist aufgerufen an dieser Demonstration teilzunehmen und ein eindeutiges Zeichen GEGEN die Pferdesteuer zu setzen.
Wenngleich ich selbst nicht daran teilnehmen kann, bitte ich alle Leser, die die Möglichkeit haben, diese auch zu nutzen. Aus Sicherheitsgründen sind keine Pferde erlaubt und bitte bleibt sachlich.

Wer nicht selbst gestaltet, wird gestaltet!

 

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