Neuer PC: Rechenpower mit Startschwierigkeiten

Neuer PC: Rechenpower mit Startschwierigkeiten
Etwas eingestaubt
Etwas eingestaubt

Ich hab mir nach fast 10 Jahren einen neuen Desktop-PC verordnet. Die Komplettsysteme sind nach kurzer Sichtung aus der Betrachtung gefallen und ich habe – wie schon beim letzten PC – mir die Komponenten selbst zusammengestellt, um sie dann auch selbst (ins bestehende Gehäuse) einzubauen.

Das war der Plan. Kein Hexenwerk aber auch kein 0-8-15. Der Aufwand sollte sich auf die Auswahl der Komponenten und das Zusammenschrauben beschränken. Technische Informatik war zwar nicht mein Steckenpferd im Studium, aber das traue ich mir nach wie vor zu.

Als bestellt, ein paar Tage gewartet, Paket ausgepackt und loslegen.

Nachdem das Gehäuse geleert (es bleibt nur eine alte Festplatte und ein paar IDE-Laufwerke zur Deko erhalten) und mit dem Kompressor gereinigt war, ging es los: Mainboard, CPU, Kühler, Strom, GraKa, SSD, … Verkabeln, Anschalten …

Nix passiert.

Außer einer LED auf dem Mainboard und das alle Lüfter fleißig rotieren, passiert genau nichts. Die LED gehört zur Debug-Anzeige des Boards und zeigte an, das was mit dem Prozessor nicht stimmt. Was genau lässt sich natürlich nicht an der LED erkennen und da der Rechner ja nicht anging, ließ sich erstmal auch so nix ermitteln.

Wir haben schon einen tatsächlichen Defekt des Prozessors in Betracht gezogen – soll ja vorkommen – haben aber dann doch nochmal Google bemüht und da offenbarte sich nach und nach das Problem.

Die CPU ist zu neu für das Board.

Das neue Board mit neuer CPU
Das neue Board mit neuer CPU

Gibt’s denn sowas? Scheinbar schon.

Ich habe mich für einen AMD Ryzen 5 2400G entschieden. Diese CPU ist ziemlich neu auf dem Markt. Als Mainboard sollte eine MSI B350 PC MATE dienen, das bereits länger marktverfügbar ist und über den passenden Sockel AM4 verfügt. Man sollte nun meinen, dass ein Board und eine CPU mit passenden Sockel auch miteinander kompatibel sind auch wenn die CPU neuer ist.
Dem ist in diesem Fall nicht so. Trotz passenden Sockel braucht das Board ein BIOS-Update damit es die CPU versteht.

Die Reihe Raven Ridge von AMD enthält sowohl CPU als auch GPU als Kombi-Prozessor. Diese Mischform ist quasi neu – zu neu. Der Prozessor ist nicht abwärtskompatibel. Noch nicht mal so weit, dass das System anspringt und man ein BIOS-Update machen könnte. Nein, man besitzt entweder bereits einen älteren Ryzen-Prozessor (1. Generation), den das Board von Haus aus erkennt und mit dem man dann das BIOS-Update durchführt, oder man kauft als Service zum Board ein BIOS-Update dazu (wie es Mindfactory und viele andere Hardware-Lieferanten anbieten). Boards, die die CPU von Haus aus unterstützen gibt es auf den ersten Blick nicht*.
Auch ist auf den ersten Blick beim kauf nirgends erkennbar, dass ein BIOS-Update zwingend erforderlich ist. Zwar wird darauf hingewiesen, dass u.U. ein Update durchgeführt werden muss, damit alle Funktionalitäten verfügbar sind, aber wer bitte geht denn davon aus, dass ohne Update noch nicht einmal die Kernfunktionalität zur Verfügung steht?

Alles kurios, aber es wird kurioser.

Wir stellen also fest, dass die zweite Ryzen-Generation nicht abwärtskompatibel ist und man das BIOS updaten muss. Es stellt sich die Frage, wie man da am besten vorgeht:

  1. AMD Phenom 9550 boxed - etwas in die Jahre gekommen
    AMD Phenom 9550 boxed – etwas in die Jahre gekommen

    Einen älteren Ryzen-Prozessor besorgen, wenn man keinen rum liegen hat. Ich kenne nun niemanden, der mal eben seinen PC zerpflügt und mir seinen alten Ryzen leiht. Allein wegen des Aufwands würde ich selbst das nicht machen. Einen älteren Prozessor kaufen ist ja auch mehr als bescheiden. Erstens kriegt man so einen älteren Ryzen nicht geschenkt und zurückschicken mit Wärmeleitpaste verklebt wäre ja mal mehr als dreist (und führt vermutlich dazu, dass man nur einen teil vom Geld zurück bekommt). Einen älteren AMD-Prozessor hätte ich übrigens: AMD Phenom 9550 auf Am2-Sockel – passt nicht und wird auch nicht passend gemacht.

  2. Im Computer-Fachgeschäft vor Ort den Service „BIOS-Update“ kaufen. Sowas kommt immer sehr gut an, wenn man die Komponenten woanders gekauft hat. In manchen Branchen (Auto-Reparatur) mag das vollkommen unkritisch sein, aber wenn ich mit einem fremdgekauften PC irgendwo aufschlage und ein BIOS-Update möchte, weil ich meine Gurke sonst nicht zum Laufen kriege … Ich weiß ja nicht.
  3. Board reklamieren und ein neues Board mit Update kaufen. Das ist tatsächlich die Variante für die ich mich entschieden habe, auch wenn es mich krämt für ein Zwangs-Update Geld zu bezahlen insb. nachdem ich erst nach langer Recherche herausgefunden habe, wo das Problem überhaupt liegt (dazu gleich noch mehr).
  4. Diese Lösung ist sehr eng verwandt mit 1. Ich führe es aber separat auf, da ich es für die Steigerung der Kuriosität halte: AMD bietet für betroffene Nutzer ein Boot-Kit an. Gegen Kaution auf Kreditkarte kann man sich einen Prozessor der Reihe Bristol Ridge leihen, um dann das Update selbst durchzuführen. Man solle vorher aber doch bitte die Möglichkeit ausloten, dass der Hersteller des Boards das BIOS-Update ggf kostenpflichtig durchführt. Da man als Konsument in der Regel aber nicht beim Hersteller direkt kauft sondern über Händler, halte ich dieses Vorgehen für schwer praktikabel. letztlich war mir dieser Ansatz (auch hinsichtlich des Hinterlegens von Kreditkarten-Informationen zu umständlich, weshalb ich mich für Option 3 entschieden habe.

Dieses Vorgehen von AMD halte ich persönlich für ziemlich dreist, da es doch die Arbeit, die Kosten und die Verantwortung auf alle anderen abwälzt. Man hätte auch erwartet, dass es passende Boards bei Markteinführung gibt, bei denen kein Zwangsupdate in dieser Art erforderlich ist.
An dieser Stelle hätte ich eigentlich AMD den Rücken abwenden und auf Intel setzen sollen.

Ich weiß nicht, wo es an Transparenz gemangelt hat, aber ich hätte auch beim Lieferanten einen eindeutigen Hinweis zu diesem Kompatibilitätsproblem erwartet. Die Beschreibung vom Board preist dasselbe als „eine äußerst zuverlässige Basis für die brandneuen AMD Ryzen™“ an – kein Hinweis darauf, dass die 2. (aktuelle) Ryzen-Generation hier nicht einbegriffen ist. Die Beschreibung vom Prozessor enthält zwar den Hinweis, dass bei Boards mit dem Chipsatz B350 ein Update erforderlich sein kann, aber nicht das es zwingend erforderlich ist und ohne überhaupt nicht läuft.
Erst die Bewertungen anderer Käufer haben mich auf die Spur gebracht.

Das ist alles mehr als ärgerlich, denn mein Desktop-PC steht sein über eine Woche still, da ich erst auf das neue Board mit Update warten muss. Nur gut, dass ich alle Aufträge, für den ich den PC brauchte, vorher abgeschlossen hatte, als ob ich geahnt hätte, das so ein Ausfall passieren könnte. Ich hab’s tatsächlich geahnt, aber nicht ernsthaft damit gerechnet.

Morgen kommt das neue Board zum Einsatz und dann stell ich mich auf das nächste Drama ein (von dem ich ebenfalls nur aus den Käuferbewertungen erfahren habe): Windows 7 unterstützt den Ryzen-Prozessor nicht. Ich muss auf Windows 10 gehen, obwohl ich das aus bestimmten Erfahrungswerten nicht wollte.

Mal sehen was die Schrauberei morgen bringt.

*) Während der Recherche zum Problem wurde u.a. im Heise-Forum darauf hingewiesen, dass es mittlerweile durchaus kompatible Boards gibt. Auch wenn diese Boards die gleichen Chipsätze haben, wie mein ausgewähltes, scheinen diese so produktionsfrisch zu sein, dass das BIOS up-to-date ist. Der Regelfall ist aber eher, dass Boards mit passenden Sockel länger auf Lager sind, als es die CPU gibt und demzufolge kein aktuelles BIOS haben, was wiederum und in der Regel kein Problem darstellen sollte. Abwärtskompatibilität und so.

 

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