Hund und Pferd – Begegnungen

Wenn Reiter und Hund sich im Wald begegnen ... in diesem Fall gehören Hund und Reiter zusammen
Wenn Reiter und Hund sich im Wald begegnen … in diesem Fall gehören Hund und Reiter zusammen

Ich mag Hunde. Hunde sind tolle Tiere, die einem viel geben können. Hunde und Pferde sind für den Menschen auch eine sinnvolle Kombination. Beide Spezies lassen sich in gewisser Weise dressieren und kommandieren. Beim Hund sind es klare Befehle, die ihm sagen sollen, was er zu tun und zu lassen hat und die unterstreichen, wer der Chef im Rudel ist. Beim Pferd ist es grundsätzlich nichts anderes, nur dass man hier eher von Hilfen und Training die Rede ist, was angesichts dessen, das Pferde Fluchttiere sind und ihre natürliche Körpersprache „ausgenutzt“ wird, auch passender ist.
Betrachtet man die Tatsache, dass Hunde Beutetiere sind und Pferde Fluchttiere, erscheint die Kombination aber weniger sinnvoll und kann durchaus zu Problemen führen, worum es in diesem Blogpost auch gehen soll, verbunden mit der Bitte, über den Tellerrand hinauszuschauen, denn die eigene Situation, dass der Hund mit dem Pferd bestens auskommt, ist in den seltensten Fällen auf andere Hunde oder Pferde übertragbar. Nicht jedes Pferd kennt oder mag Hunde und noch weniger Hunde kennen Pferde. Was zehnmal gut gegangen ist, kann beim elften Mal in die Hose gehen.

Bisher hatte ich bei allen Live-Hundebegegnungen Glück, das weder Hunden als auch fast allen Besitzern nichts passiert ist. Hier nun ein paar persönliche Erlebnisse:

Der Hütehund mit dem schiefen Gebiss

Hütehunde haben es scheinbar in ihren Genen, dass sie jegliche Herdentiere kontrollieren wollen. Sie neigen dazu, das zu behütende Tier in die Hinterläufe zu zwicken, um es voranzutreiben oder zu umkreisen, um eine Herde beisammen zuhalten. Ein tolles Schauspiel, wenn man das bei einer Schafherde sieht, bei Pferden kann das allerdings arg daneben gehen. Ich kannte bspw. einen Hütehund (Australian Shepherd?), dessen Zahnreihen krum und schief waren. Er hat versucht ein Island-Pony zu treiben wie ein Schaf, die Antwort war ein gezielter Tritt mit den Hinterhufen. Der Trieb in dem Hund war allerdings so groß, dass er nicht davon abzubringen war, weiterhin Pferde zu hüten.
Hat man ein Pferd, dass das kennt und sich damit abfindet, mag das funktionieren, immerhin beißt der Hund ja nicht zu. Fremde Pferde fackeln da aber u.U. nicht lange und schlagen zu.

Hütehund am Hallentor

Nicht ganz so extrem war ein anderer mir bekannter Hütehund. Er legte sich immer am Hallentor auf die Lauer und beobachtete die Geschehnisse. Ab und an wanderte er, wie es Hunde gern klammheimlich tun, in die Halle. Bei Nevado konnte ich beim Longieren immer beobachten, wie er (Nevado) in der Nähe des Hallentors die Ohren anlegte, die Zähne bleckte und Angriffshaltung einnahm.
Der Hund war immer mit einer knappen, aber deutlichen Ansage wieder nach draußen zu verbannen, dennoch ließ sich der Trieb nicht leugnen oder unterdrücken.

Hund in der Reitbahn

Meiner Ansicht nach ist ein Hund in der Reitbahn ein NoGo. Aber wenn einer Reitlehrerin zwei Jagdhunde (Rhodesian Ridgeback) in die Halle nimmt, ist DAS natürlich was anderes. Naja. Ich komme mit Nevado in die Reithalle und weise daraufhin, dass sie die Hunde besser draußen ablegt, zumal Nevado wie beim Hütehund am Hallentor beschrieben, ein gewisses Revierverhalten hat und u.U. einen Hund angreift. Die Reitlehrerin winkt ab, sie nehme die Hunde immer mit rein, der eine sei ja auch schon alt, die kennen das und wenn sie im Weg stehen, einfach umreiten.
Die lieben Hunde blieben natürlich nicht an einem Ort stehen, sondern pendelten immer ein bisschen Hin und Her und es kam, wie es kommen musste: Ich galoppiere auf dem Zirkel und auf einmal sitzt da ein Hund auf der Zirkellinie. Nevado legt die Ohren an und galoppiert knapp am Hund vorbei, die Reitlehrerin ruft ihn ab und legt ihn in einer Ecke ab. Warum dazu erst diese knappe Situation notwendig war, die sowohl für den Hund, als auch für Nevado und mich hätte schmerzhaft ausgehen können, ist mir auch zwei Jahre später noch unklar.

Spaziergang im Wald

Im letzten Jahr hatte ich eine Hundebegegnung der besonderen Art. Ich war mit Nevado im Wald spazieren als mir recht bald mehrere Hundebesitzer mit genauso vielen Hunden entgegen kamen. Es waren allesamt Großhunde und einer von denen mochte scheinbar keine Pferde. Er bellte direkt lautstark und aggresiv drauf los und Nevado war unvermittelt in seiner Rolle als Fluchttier. Da Nevado außerdem ein ausgeprägtes Revierverhalten hat (à la ungehobelter Leithengst), ist er nicht weggerannt, sondern hat auf Verteidigung seiner Herde (in dem fall unfreiwillig Meinereiner) umgeschaltet. Das muss man sich so vorstellen, dass das Pferd seine Hinterhand (= Waffe) auf den Angreifer ausrichtet und Drohgebärden zeigt. Der „angreifende“ Hunde (ich meine es war ein Rottweiler-Verschnitt) verstand diese Signale aber gar nicht und bellte an der Leine der Besitzerin hochsteigend munter weiter. Die Situation drohte zu eskalieren. Ich rief der Frau mehrfach zu, sie solle mit dem Hund weitergehen, was sie aber nicht konnte. Sie könne den Hund nicht mehr lange halten.

50 Kilogramm Hund festhalten ist wahrlich nicht einfach … 480 Kilogramm Pferd aber auch nicht!

Am Ende konnte ich Nevado so weit auf mich konzentrieren, dass ich ihn vom Hund wegbewegen konnte und nichts weiter passiert ist. Dennoch war der Spaziergang gelaufen und wir sind nach Hause.

Begleithund an der Schleppleine

Schon etwas länger her ist eine Begegnung beim Ausritt. Auf einem Weg, der links und rechts von Büschen und Zaun gesäumt war, kam mir einer Reiterin samt Hund entgegen. Sie ritt ohne Sattel und ohne Helm, dafür war der kleine Hund angeleint … an einer Schleppleine. Solche Schleppleinen sind meist recht dünn (5mm ?) und 5-15 Meter lang. Sie werden zu unterschiedlichen Trainingszwecken eingesetzt bspw. um einen Hund auf Distanz das Kommando „Komm!“ beizubringen. Einen Reitbegleithund damit anzuleinen ist vielleicht bequem, aber nicht im Sinne des Erfinders und es kann gefährlich werden.
Nevado war bei dieser Begegnung ziemlich entspannt, neugierig zwar, aber dennoch unbeeindruckt, von dem Trio. Der Hund fand das alles aber so spannend, dass er uns ein paar Meter folgte, was er dank der Schleppleine auch konnte. Sein Frauchen versuchte ihn schließlich wieder bei Fuß zu holen, aber der kleine Racker, war so hin und hergerissen zwischen Nevado und mir und seinem Frauchen, das er einmal um das Pferd seiner Besitzerin lief und dieses in die Schleppleine einwickelte. Das Pferd war glücklicherweise sehr entspannt, blieb stehen und wartete geduldig, dass Frauchen den Hund richtig zum Entwirren dirigierte … was natürlich nicht funktionierte. Sie stieg dann letztlich ab und brachte Ordnung ins Chaos.

Begleithund an der Wireless-Leine

Ähnlich wie der Hund an der Schleppleine begegnete mir neulich eine Reiterin (ohne Sattel, ohne Helm) mit zwei unangeleinten Hunden. Ein Hund trottet hinter der Reiterin her, der andere vorneweg. Wohl weil die Hunde so gemütlich dahertrotteten und in der Mitte ein Pferd war, interessierte Nevado das so ziemlich gar nicht. Es ist auch nichts passiert, dennoch irritieren mich solche Situationen immer, weil ich nicht weiß, wie die Hunde drauf sind, folglich wie mein Pferd darauf reagiert und im weiteren gedachten Verlauf, wie die Hunde reagieren und ggf. abrufbar sind.

So geschehen neulich: Ein anderer Hund, andere Reiter (diesmal mit Sattel und Helm) und unangeleint. Der Hund lief den Weg zum Wasser, den er kannte, und bekam erstmal gar nicht mit, dass seine Reiter anders abgebogen waren. Da ich an dem Tag schon eine andere unschöne Hundebegegnung hatte (dazu gleich mehr), bat ich die Reiter den Hund abzurufen, so dass er uns nicht zu nahe kommen konnte (quasi vorausschauendes Reiten, man muss ja nichts provozieren). Die Reiter hatten Verständnis dafür, aber leider der Hund nicht. Der konnte nämlich überhaupt nicht verstehen, dass er an dem Tag nicht ins Wasser hüpfen durfte und warum er nun zu Frauchen sollte. Selbst als Frauchen zum ihm ritt, um ihn abzuholen, schaute der Hund nachwievor verwirrt drein und reagierte keinen Zentimeter.
Ich ritt dann ein paar Meter weiter, um Nevado nicht übermäßig mit der Situation zu stressen. Der Hund durfte kurz ins Wasser und folgte dann auch seiner Frau und alles war gut.

Hund und Fahrradfahrer

Mein derzeitiges Highlight der Hundebegegnungen ereignete sich mit einem Fahrradfahrer, der seinen Hund (Größenordnung Boxer) mit einer Rollleine am Fahrrad führte. Er holte die Rollleine nach und nach ein, bis der Hund so dicht wie möglich neben ihm lief und so fuhr er an mir vorbei (vorbildlich, ich war begeistert, ehrlich). Der Hund fand uns aber scheinbar so toll, dass er Nevado spontan zum Spielen aufforderte mit dieser typischen Hundegeste, indem er den seinen Vorderkörper bis zum Boden absenkte, mit der Rute wedelte und so breitbeinig und freudestrahlend vor uns lag. Nevado hat das mitnichten als Spielaufforderung aufgefasst, er fühlte sich bedroht. Prompt drehte Nevado seine Hinterhand zum Hund, dieser verstand die Drohung sofort und sprang nach hinten … ins Fahrrad. Der Fahrrad-Fahrer stürzte und der Hund stand mit gebührenden Sicherheitsabstand im Feld. Nevado entspannte sich schnell, da ja auch die Situation aus seiner Sicht entspannt war. Der Fahrrad-Fahrer hat sich zum Glück nichts getan und der Hund scheint auch mit dem Schrecken davon gekommen zu sein.

Gegenseitige Rücksichtnahme

Nevado hat eine vermeintliche Bedrohung ausgemacht und steht unter Spannung
Nevado hat eine vermeintliche Bedrohung ausgemacht und steht unter Spannung

Letztlich haben sich in allen Situationen Pferd wie Hund absolut normal verhalten, denn abseits der Domestizierung betrachtet sind sie Feinde. Man kann den Tieren keinen Vorwurf machen, wenn sie sich ihrer Natur entsprechend verhalten. Der Mensch kann lediglich Vorkehrungen treffen, in dem er als Hundehalter seinen Hund gut trainiert und sicher führen kann, und als Pferdehalter, indem man besonnen reagiert, sein Pferd kennt und ebenso wie beim Hund, dass man sein Pferd führen kann. Dressur im Gelände ist dafür m.E. nicht zu unterschätzen. Einerseits kann man die Aufmerksamkeit des Pferdes durch Lektionen wieder auf sich und vom Feind weg lenken, andererseits kann man die Waffen des Pferdes (vornämlich) die Hinterhand steuern.
Trotz allem muss jedes Tier erst einmal lernen. Aber das Ideal, dass man wie bei einer Reitbegleithunde-Ausbildung Pferd und Hund schrittweise aneinander gewöhnt, ist nicht immer möglich. Es darf auch nie vorausgesetzt werden, dass Hund und Pferd miteinander auskommen. Man darf nicht von sich auf andere schließen („Mein Pferd kann das, wieso deines nicht“) oder von einer Situation auf die nächste („Der tut nichts, der will nur spielen“). Daher sollten sich beide immer mit einer gewissen Vorsicht (nicht zuletzt zum Eigenschutz) begegnen und Rücksicht füreinander aufbringen.

Zu guter Letzt

Alle hier genannten Beispiele sind mir tatsächlich so widerfahren. Ich habe es aber auch schon unzählige Male erlebt, das nichts passiert ist. Ich möchte auch keinesfalls alle Hundehalter über einen Kamm scheren. Unter uns Reitern gibt es leider auch genug schwarze, rücksichtslose Schafe.
Dass Pferd und Hund und insbesondere Pferdehalter und Hundehalter sich im Wald begegnen, sich beiderseits vorbildlich verhalten und nichts passiert, ist zum Glück die Regel.
Wenn aber etwas passiert, dann hilft es nichts, den anderen zu beschimpfen oder sich stundenlang zu ärgern. Vielmehr sollte man versuchen zu reflektieren:

  • Was ist eigentlich passiert?
  • Was hätte ich anders machen können?
  • Wie reagiere ich das nächste mal?

Oder mit anderen Worten: Nach vorne schauen, statt sich über die Vergangenheit aufzuregen.

Ich selbst versuche mich immer so zu benehmen, wie ich es für den Reitpass gelernt habe: Vorbeireiten im Schritt, Abstand, freundliches Grüßen, … Oftmals sind so schon interessante Gespräche im Wald entstanden. Und so macht Ausreiten für alle doch am meisten Spaß.

Ich hab Puls – Hallentraining mit Pulsmessung

Nachdem ich vergangene Woche über einen Ausritt mit Pulsmessung berichtet habe, hier nun die Auswertung eines normalen Trainings in der Halle. Die Trainingseinheit dauerte einschließlich vorherigem Ablongieren ca. 45 Minuten und enthielt Seitengänge in Schritt und Trab auf geraden und gebogenen Linien sowie Galopp auf dem Zirkel, einzelnen Galoppvolten, Schultervor im Galopp und eine Runde Außengalopp auf dem Zirkel. Nevado war bis auf ein oder zwei kleine Zucker sehr entspannt und arbeitswillig, hat die Hilfen sehr gut angenommen und ein gutes Grundtempo angeboten. Aus meiner Sicht war das ein sehr gutes Training ohne Drücken, Ziehen oder Verrenkungen, was ja schon mal passieren kann, wenn man mal nicht die gleiche Sprache spricht.

Herzfrequenz während eines normalen Trainings
Herzfrequenz während eines normalen Trainings

Wie schon beim Ausritt ist gut zu erkennen, dass die Herzfrequenz einigermaßen proportional zur Geschwindigkeit verläuft. Da ich die erste viertel Stunde longiert habe, fehlt hier die Geschwindigkeit im Diagramm. Mein Puls schwankt hier zwischen 100 und 130, was der HF-Zone 1 (Aufwärmen entspricht). Auch in der darauffolgenden Schrittphase beim Reiten ändert sich das nicht. Erst im späteren Verlauf der Trabarbeit (zwischen Minute 25 und 35) steigt auch der Puls auf ca. 145. Sehr deutlich ist der Anstieg auf maximale 160 Schläge im Galopp (ca. Minute 35 bis 45) zu sehen. Bei der abschließenden Schrittphase zum Trockenreiten sinkt der Puls wieder.

Interpretation

Die Pulskurve – auch mit Blick auf den Ausritt – interpretiere ich für mich so, dass mein Puls der Geschwindigkeit vom Pferd folgt. Das hat meiner Meinung nach aber nur bedingt etwas mit der körperlichen Anstrengung zu tun als viel mehr mit den verschiedenen Bewegungsmustern der Gangarten, denen ich mich anpassen muss. Trab und Galopp erfordern andere Bewegungsabläufe bei mir als Schritt und beanspruchen somit auch andere Muskelgruppen. Auch die Atmung wird dadurch beeinflusst, was sich letztlich auf die Herzfrequenz auswirkt. Vermutlich ist die Atmung im Trab und Galopp sogar regelmäßiger, da die Gangarten den Takt anders auf den menschlichen Körper übertragen als der Schritt (weniger Auf- und Abbewegung des Oberkörpers).

Der Anstieg am Ende der Messung ist der Tatsache geschuldet, dass ich Nevado in der Halle hab wälzen lassen, während ich seinen Sattel schon in die Sattelkammer getragen hab.

Ist Reiten nun Sport?

HF-Zonen bei einem Hallentraining
HF-Zonen bei einem Hallentraining

In meinem ersten Blog-Beitrag zu dem Thema sind auf Facebook Stimmen laut geworden, dass beim Reiten, das Pferd arbeiten soll und nicht der Reiter und dass ein Reiter, der schwitzt, etwas falsch gemacht habe. Grundsätzlich stimme ich dem zu, aber ich denke auch, dass eine gewisse Grundfitness unabdingbar ist.
Die Zusammenfassung der HF-Zonen zeigt, dass ich mich weit von der körperlichen Belastung eines Ausdauerlaufs o.ä. entfernt bewege. Dies liegt aber auch daran, dass ich eine gute Basis im Bereich Ausdauer habe. Ohne diese Grundlage würde die Messung höhere Werte ergeben. Bei einer schlechten körperlichen Konstitutionen sind Extrem-Werte im Maximal-Bereich sicher auch denkbar. Auch wenn der Herzschlag, wie ich es vermute, der Gangart folgt (Ursache – Wirkung) muss der Körper auch in der Lage sein, diese Mehrleistung zu verrichten – wenn die Lunge nicht genug Sauerstoff aufnehmen kann oder das Herz nicht genug Blut mit einem Schlag transportieren kann, um den Energiebedarf zu decken, dann erhöht sich automatisch Atem- und Herzfrequenz.

Je nach Ausbildungsstand von Pferd und Reiter wird sich das Verhältnis, wer mehr körperliche Arbeit leisten, mit Sicherheit immer mehr verschieben, bis der Reiter wirklich nur noch mit minimalen Hilfen und somit geringer körperlicher Anstrengung oben sitzt. Der Weg dorthin ist aber lang. Umso trainierter der eigene Körper ist, desto weniger Energie-Aufwand (was letztlich an Atmung und Herzfrequenz erkennbar wird) wird notwendig sein. Das Gleiche gilt für einen Läufer, eine Ballerina oder Schachspieler …

Ich hab Puls – Ein Ausritt mit Pulsmessung

Normalerweise erfasse ich nur meine Lauf- und Radtrainings mit dem Pulsmesser. Inspiriert von einem Beitrag der FN-Bereiterin Kerstin Gerhardt auf Facebook, habe ich jetzt aber mal den Pulsgurt beim Reiten angelegt und zwar bei einem längeren Ausritt.

Kerstin Gerhardt hatte dies bei einer Reitschülerin getan, die wohl regelmäßig Ausdauersport betreibt und dabei Pulswerte im Maximalbereich gemessen. Ähnlich ging es mir auch, aber ich konnte am Verlauf der Strecke und dem Erlebten sehr gut rekonstruieren, woran diese Spitzenwerte lagen.

Puls- und Geschwindigkeitsmessung im zeitlichen Verlauf
Puls- und Geschwindigkeitsmessung im zeitlichen Verlauf

Die Vorbereitung

Ich habe die Pulsmessung bereits gestartet, als ich Nevado vom Paddock geholt habe. Bis zum Abmarsch hab ich ungefähr 20 Minuten mit Putzen und Satteln verbracht. Mein Puls lag dabei zwischen 100 und 145, was schon etwas hoch ist. Man muss aber dazu sagen, dass ich eine dicke Daunenjacke getragen habe und die Sonne ordentlich geschien hat, was den Puls in die Höhe getrieben hat.

Abmarsch

Von Minute 20 bis ca. Minute 36 habe ich Nevado zum Wald geführt. Mein Puls ist in der Zeit zwischen 145 und sogar 177 geschwankt. Das entspricht den Herzfrequenzzonen 4 (Anaerob) und 5 (Maximalpuls). Diese hohen Werte haben aber weniger etwas mit meine körperlichen Fitness zu tun, denn immerhin bin ich nicht neben Nevado gelaufen, sondern in normalen Schritttempo gegangen.
Die Ursache für die hohen Werte liegt vielmehr in der nervlichen Anspannung. Vom Stall bis zum Wald ist es zwar nur eine kurze Strecke, die jedoch über eine vielbefahrene Landstraße führt, der ich zusätzlich noch ca. 300m auf dem Radweg folgen muss, bis ich zum Feldweg am Wald gelange. Da Nevado derzeit sehr schreckhaft und teilweise zu wenig ausgelastet ist, steht er zu Beginn einer Trainingseinheit auch stark unter Spannung. Jetzt waren wir zum ersten Mal seit mindestens 3 Monaten im Gelände und ich hab mich innerlich auf alles mögliche vorbereitet. Meine innere Anspannung und Nervosität spiegelt sich deutlich in der Pulsmessung wieder.
Die erste markierte Spitze (Minute 30 bei 169 Puls) im Diagramm ist die Stelle, an der ich mit Nevado die Straße überquere und sozusagen erstmals auf Straßenverkehr treffe. Die folgenden Minuten (der Weg parallel zu Straße) hält der Wert mehr oder weniger konstant an. Tatsächlich näherten sich mehrere Autos mit etwa 100km/h von hinten, wodurch Nevado immer wieder unruhig tänzelte und sich drehte. Gefühlt bin ich sehr ruhig geblieben und hab versucht, dass auf Nevado zu übertragen. Die Messung zeigt, dass mein Körper etwas anderes wiederspiegelt. Nichtsdestrotrotz hat Nevado auf mich reagiert und ist im Großen und Ganzen ruhig geblieben.
Die zweite Spitze (Minute 36 bei 173 Puls) ist der Zeitpunkt des Aufsteigens. Hier war ich noch einmal sehr angespannt, da ich grundsätzlich den schlimmst möglichen Fall im Hinterkopf habe: Nevado macht eine abrupte Kehrtwende und schießt davon, während ich halb im Steigbügel hänge. Ein sehr düsteres Szenario, dass so nicht eingetreten ist, aber generell ist für mich das Aufsteigen im Gelände unter den Umständen (länger nicht draußen gewesen, knackig kalt, allein unterwegs) ein kritischer Punkt.

Der Ritt

Nach dem Aufsteigen und der Feststellung, dass Nevado weniger aufgeregt ist, als erwartet, hat sich mein Puls relativ schnell normalisiert. Spätestens nach der ersten Trab- und Galopptour hat sich mein Puls dem Tempo angepasst, wie man gut am Verlauf des Diagramms sehen kann: Der Verlauf von grüner und roter Linie ist relativ parallel.

Der Heimweg

Auf dem Heimweg gab es dann nochmal eine kleine Schrecksekunde. Da Nevado am Ende eines Ausrittes eigentlich immer sehr ausgeglichen ist, reite ich den Abschnitt an der Straße auch statt wie beim Hinweg zu führen. An einer Stelle kommen wir dabei an einem Privatgrundstück mit hoher, dichter Hecke vorbei, an der Nevado in der Vergangenheit schon einmal sehr gescheut hat. Diesmal konnte ich auch die Ursache erkennen: Hinter der Hecke „wohnt“ eine Gruppe Gänse und die waren Nevado nicht geheuer. Ich bin in der Situation relativ ruhig geblieben, bis Nevado einen Schritt zurück gemacht hat und nun halb auf der Straße stand. In diesem Moment ist auch mein Puls wieder nach oben geschossen (dritte Spitze bei 1:45 Stunde), allerdings bei weitem nicht mehr so hoch wie am Anfang des Rittes: nur noch 155. Ich habe in der Situation kurz überlegt abzusteigen, da der nachfolgende Verkehr aber sehr besonnen reagiert hat und stark abgebremst hat, Nevado einfach nur die Gänse angestarrt hat und keine Anzeichen von herannahender Panik zeigte, bin ich kurzerhand vom Radweg auf die Straße gewechselt. Nevado hat sich dann sehr schnell beruhigt und auch mein Puls ist schnell wieder normal geworden.

Fazit

HF-Zonen während des Ausrittes
HF-Zonen während des Ausrittes

Zusammenfassend kann ich sagen, dass die Pulsmessung sehr gut den Verlauf des Rittes wiederspiegelt. Zu Anfang war ich sehr nervös, da ich einerseits lange nicht mit Nevado draußen war und andererseits, weil ich ihn insoweit kenne, dass er anfangs im Gelände angespannt ist. Es sind ja auch sehr viele Eindrücke zu verarbeiten und Straßenverkehr ist nicht Nevados Stärke. Seine Lernkurve in Sachen Straßenverkehr ist auch weniger steil wie beim Unfug lernen oder Seitengängen.
Umso länger wir draußen waren, desto mehr hat der Entspannungseffekt eingesetzt. Nun hab ich Nevados Herzfrequenz nicht gemessen, aber ich kann versichern, dass er die meiste Zeit am langen Zügel mit entspannt hängenden Hals unterwegs war. Auch in Trab und Galopp war er stets locker und hat das ganze „genossen“. Wir sind beide immer gelassener geworden.

HF-Zonen während eines 10km-Laufs auf Laufband
HF-Zonen während eines 10km-Laufs auf Laufband

Darüber hinaus zeigt es mir aber auch, dass Reiten eben nicht nur „oben sitzen und lenken“ ist, wie manch einer behauptet. Meine Pulswerte bewegten sich zwar nicht in den Bereichen einer Laufeinheit, ein deutlicher Anstieg im Trab und Galopp und damit verbunden die höhere Belastung für das Herz-Kreislauf-System ist erkennbar.
Mein Trab- und Galoppabschnitte während des Ausrittes waren etwa 1-2km lang und dauerten über 3-10 Minuten, was nicht sonderlich lang ist. Eine gewissen Grundkonstitution im Bereich Ausdauer, aber auch Haltemuskulatur im Rücken und Bauch sind unabdingbar für längere Distanzen (Schlussfolgerungen darf jeder selbst ziehen).

Ausblick

Ein Ausritt stellt, insbesondere aufgrund der nervlichen Belastung, die der Ausritt für Nevado und mich aufgrund der aktuell nicht vorhandenen Routine nunmal ist, eine besondere Messsituation dar. Ich will künftige Trainingseinheiten in der Halle daher demnächst auch auch mit Pulsgurt absolvieren.

Für die Pulsmessung habe ich einen Polar-Pulsgurt H7 und für die Auswertung (einschl. Grafiken) den Endomondo-Sportstracker (Premium) verwendet.

Frisch beschlagen mit Duplos

Nein, nicht die längste Praline der Welt, sondern ein Kunststoffbeschlag.

Lange habe ich überlegt, ob ich überhaupt Nevado beschlage. Eigentlich hat er sehr gute,feste Hufe, für einen Andalusier sogar eine sehr gute Hufstellung und -weite. Es bestand für mich also zunächst kein Grund zu beschlagen und damit den Hufmechanismus einzuschränken oder gar zu stoppen.
In letzter Zeit waren wir aber viel im Gelände. Unsere große Runde beträgt etwa 17km und führt durch Ortschaften und Wald. Die Hufe haben sich dabei erwartungsgemäß abgeraspelt und waren an den Kanten immer leicht ausgebrochen. Das ist nicht ungewöhnlich, schränkt aber irgendwann ein und bevor ich bei strahlenden Sonnenschein da stehe und mich sagen höre „Ich kann nicht mit, das Pony hat keine Hufe mehr.“ habe ich mich für Beschlag entschlossen.

Ausschlaggebend war dabei aber auch, dass ich die Duplo-Eisen kennen gelernt habe. Dabei handelt es sich um einen Kunststoffbeschlag, der in der Wanderreiter-Szene äußerst beliebt ist.

Erstmals in Kontakt mit dem Beschlag bin ich bei einem Appaloosa-Züchter, der ausschließlich diese „Eisen“ verwendet und seit einiger Zeit verwendet sie auch meine liebe Marita für ihren Criollo. Rubio hatte sehr kurze Hufe, wenig Trachten und kaum Wachstum. Da der Kunststoffbeschlag so flexibel ist, dass er die Hufmechanik zulässt im Gegensatz zu starren Stahleisen, ist das Hufwachstum besser angeregt und ein ungleichmäßiger Abrieb wird vermieden. Die Duplo-Beschläge haben im Kunststoff einen Eisenkern, der einerseits die Flexibilität des Eisens erlaubt, aber andererseits so viel Stabiltät gibt, dass das Eisen sich nicht in sich verdreht. Außerdem bietet der Eisenkern ein fester Ankerpunkt für die Hufnägel, die weiterhin notwendig sind. Der Halt am Huf wird zusätzlich durch kleine spitze Noppen (1mm Höe in etwa) verstärkt die sich an die Sohle krallen.
Die „Eisen“ sind außerdem geschlossen wie Eier-Eisen. Dadurch haben sie in sich nochmal mehr Stabilität und lassen sich außerdem schneller als orthopädische Eisen verwenden, die ja in der Regel erst geschmiedet werden müssen. Diesen Punkt fand ich übrigens sehr interessant, da meine alte Lady ja auch Eier-Eisen wegen ihrer kaputten Sehne hatte und ich irgendwann den Gedanken hatte, dass mehr Hufmechanik für ihr Sehnenproblem von Vorteil gewesen wäre. Damals kannte ich diese Beschlagart aber noch nicht. Allgemein und unabhängig von Sehnenproblemen wird durch den Steg der Sehnenapperat unterstützt, es birgt aber auch die Gefahr, dass ein „Eisen“ schneller abgetreten wird. Da der Kunststoff aber leicht nachgibt, ist der Hebel, der durch das Reintreten entstehen würde, weniger heftig und es würde weniger kaputt gehen, wenn überhaupt.
Wenngleich ich nicht vorhabe, Nevado im Winter auch zu beschlagen, bieten die Duplos eine integrierte Lippe ähnlich den Hufgrips, so dass das Aufstollen verhindert wird.

Gerade der Aspekt, das der Hufmechanismus erhalten bleibt, war für mich entscheidend, da ich ungern Nevados gute Hufe mechanisch „kaputt“ machen wollte.

Am Freitag war es dann soweit. Das Vorgehen bei Duplo-Eisen ist ähnlich wie beim Kaltbeschlag. Die Hufe werden also sehr korrekt geschnitten und plan gemacht (ein Vorgang, der durch das Aufbrennen von Eisen entfällt, da das Brennen den Huf plan macht). Anschließend wird das in der Größe passende „Eisen“ angelegt, markiert und entsprechend in Form „geschnitten“.
Dann werden die Eisen wie gewohnt aufgenagelt, was Nevado erstmal sehr komisch fand und meinte er müsse sich dieser Prozedur nach oben entziehen – der Schlingel. Bevor er das ein zweites Mal versuchen konnte, hab ich ihn mit Leckerli auf dem Boden der Tatsachen beschäftigt … Funktionieren doch alle gleich, die Ponies.
Nach dem ersten Aufnageln ging es ein paar Runden im Schritt auf harten Boden, damit sich die „Eisen“ setzen und die kleinen „Spikes“ greifen können. Zum Abschluss, wie bei normalen Beschlag auch, werden die Nägel gekappt, nochmal übergeraspelt und fertig ist der Duplo-Beschlag.

Die ersten Schritte waren für Nevado nicht anders als sonst. Die Duplos wiegen wesentlich weniger als ein Stahleisen und die Hufe werden etwas kürzer geschnitten, damit der Höhenunterschied nicht so enorm ist (wie bei herkömmlichen Eisen auch). Nevado ist so gleich auf der Koppel losgestürmt.
Am Folgetag sind wir ganz normal geritten und außer der Tatsache, dass Nevado seinen Motor gefunden hat, war kein Unterschied zu spüren. Gester ging es erstmals ins Gelände und wir konnten uns auf Untergründen flott bewegen, auf denen man barhuf aber auch mit Stahleisen weniger schnell unterwegs sein würde. Das liegt daran, dass die Eisen eine zusätzliche Dämpfung bieten und dazu noch griffiger sind als Stahleisen.

Die nächsten großen Ritte können also kommen und vielleicht sind wir ja demnächst konditionell auch für einen mehrtägigen Ritt fit … zum Beispiel Elsass oder so.

Um die Ecke gedacht – Die Physik in der Kandare II

Nachdem mein Artikel über die Hebelwirkung einer Kandare zahlreiches und durchweg positives Feedback bekommen habe – Danke an dieser Stelle – habe ich auch ein 10-seitiges PDF bekommen, welches einige Punkte, die ich in meiner Ausarbeitung der Einfachheit halber ausgelassen habe, erläutert.
Ingo Driever hat sich mit den veränderten Kraftverhältnissen bei einer angewinkelten Kandare und der Springkandare beschäftigt. Er berücksichtigt dabei auch, dass der Zügel nicht wie in meiner Ausarbeitung waagerecht wirkt (also 90° zur Senkrechten der Pferdenase), sondern eher in einem Winkel von 30° zur Waagerechten.

Anmerkungen meinerseits sind kursiv gekennzeichnet.

Die angewinkelte Kandare

Bei der angewinkelten Kandare muss Zugrichtung und Anzugwinkel betrachtet werden. Selbst bei einem an die Senkrechte gestellten Pferd ist die Zugrichtung normalerweise oberhalb der Waagerechten (Wer hat seine Hände schon am Oberschenkel).
Ist bei einer 30° gebogenen Kandare die Zugrichtung 30° nach oben (rechter Winkel zwischen Unterbaum und Zügel), wirkt der volle Hebel des Unterbaums. Die wirksame Länge des Unterbaums verkleinert sich nicht, sondern die des Oberbaums. Bezogen auf die ursprüngliche Berechnung bedeutet das:

wirksame Länge Unterbaum – 5,0cm
wirksame Länge Oberbaum – 1,73cm

Also ein Verhältnis von 5:1,73 was 2,89kg bei 1kg Zuggewicht entspricht.

Eine 30° abgewinkelte Kandare bei senkrecht wirkendem Zügel

Wenn wir aus dieser Ruhestellung nun anziehen würden, würde der wirksame Hebel des Unterbaums immer weiter abnehmen. Gleichzeitig würde der wirksame Hebel des Oberbaums zunehmen, bis er bei 30° seinen höchsten Wert erreicht hat.

Die abgewinkelte Kandare weiter angenommen

Würden wir jetzt weiter anziehen, würde auch der wirksame Hebel des Unterbaums wieder kleiner werden.

Der Oberbaum steht bei 45°

Oder anders gesagt: im Gegensatz zur geraden Kandare ändert sich das Verhältnis von Ober- zu Unterbaum bei der gebogenen Kandare je nach der Winkelung der Kandare, Aufrichtung des Pferdes, Höhe der Reiterhand, Anzugwinkel und je nach dem, wie weit das Pferd an die Senkrechte kommt.
In unserem Beispiel würde die Hebelwirkung der Kandare also bei vermehrtem Anzug (und vermehrter Kraft), immer weiter abnehmen.

Beispiel: Pferd in der Senkrechten und Zugrichtung 30° über der Waagerechten

Anzugwinkel bzgl. Oberbaum
wirksame Länge Unterbaum
wirksame Länge Oberbaum
resultierende Kraft bei 1kg Anzug
5,00 cm 1,73 cm 2,89 kg
10° 4,92 cm 1,88 cm 2,62 kg
20° 4,70 cm 1,97 cm 2,39 kg
30° 4,33 cm 2,00 cm 2,17 kg
45° 3,54 cm 1,93 cm 1,83 kg

Die Springkandare

Um den komplizierten Kraftverlauf der Springkandare zu verstehen kann man sie am besten gedanklich aufteilen.
Wir stellen uns eine Lampe vor, die an zwei gleichlangen Seilen von der Decke hängt. Die Lampe wiegt 1 kg. Also zieht an den beiden Haltepunkten A und B je 0,5 Kg.
Wenn man die Zugrichtung der Lampe rückwärts verlängert, trifft diese genau in der Mitte die Verbindungslinie von A nach B.

Abstrakte Darstellung der Lampe an zwei Seilen

Wir verändern jetzt die Seillängen so, dass die Lampe unter einem Punkt, der der 1m von A und 2 m von B entfernt ist, hängt.
Die Verlängerung der Zugrichtung der Lampe teilt die Entfernung A zu B im Verhältnis 1/3 zu 2/3. Genauso verhält es sich mit den Kräften an den Punkten A und B. Wichtig dabei ist, dass die für die Bestimmung der Last maßgeblich Entfernung auf der jeweils gegenüberliegenden Seite zu suchen ist (grün, blau).

Die Position der Lampe wird verschoben

Hängen wir nun unsere Lampe ab und und bringen beide Seile wieder auf die gleiche Länge. Nun ziehen mit 1 kg an dem Seil, aber nicht nach unten, sonder schräg zur Seite. Genau so, dass die Verlängerung unserer  Zugrichtung die Linie zwischen A und B 1/3 zu 2/3 teilt. Wir haben nun wieder die gleiche Kräfteverteilung wie im letzten Beispiel.

Die Zugrichtung ändert sich

Nun ziehen wir noch schräger, so dass die Verlängerung der Zugrichtung auf einem Punkt 43 cm hinter Punkt A rauskommt. An Punkt A würden wir jetzt mit 1Kg ziehen, während das Seil zu Punkt B durch hängen würde.
Tauschen wir aber die Seile gegen Stahlstangen, würde wir an Punkt B einen Druck nach oben ausüben, während wir an Punkt A nicht mehr mit einem ganzen Kilogramm ziehen würden.

Wichtig: das Grundmaß für die Berechnung ist die Entfernung von Punkt B zu dem Punkt, wo die Verlängerung der Zugrichtung die Verlängerung von A nach B schneidet.

Rechnung:

p(A) = 3m : 3,43m x 100 = 87,463556851%, gerundet 87%
PW(A) = 87% :100 x 1kg = 0,87kg

p(B) = 0,43m : 3,43m x 100 = 12,536443149%, gerundet 13%
PW(B) = 13% : 100 x 1Kg =  0,13Kg

Statt Seilen nun Stangen

Noch einmal zurück zum vorigen Beispiel. Ersetzen wir unsere Decke nun mal durch eine Hebelwaage, deren Achse 2m von A Punkt und 1m von B Punkt liegt (schwarz).
Wir wollen wissen, welche Kraft an einem Punkt C ankommt, der 0,5m hinter Punkt B liegt. Da unsere Kräfte aber gegeneinander und dazu noch an unterschiedlich langen Hebelarmen wirken, müssen wir erst herausfinden wie viel Kraft denn überhaupt wirkt.
Der beste Weg dies zu errechnen ist der über das Drehmoment (M). Das Drehmoment ist eigentlich nichts anderes als ein um die Hebellänge bereinigte Hebelkraft.

Drehmoment = Kraft x Hebelarm oder Kraft x Radius (M = F x r).

Normalerweise wird das Drehmoment in Newton-Meter Nm (1Kg = 9,81Nm) gerechnet, aber hier nehmen wir einfach kg/m.

Rechnung:

M(A) = 0,77kg x 2m = 1,54kg/m
M(B) = 0,33kg x 1m = 0,33kg/m

Da die Kräfte in entgegengesetzte Richtungen wirken müssen wir sie voneinander subtrahieren.

M(gesamt) = 1,54kg/m – 0,33kg/m = 1,21kg/m

Um die Kraft an C herauszufinden müssen wir die Formel umstellen.

M = F x r  <=> F = M : r

Rechnung

F2 = 1,21kg/m : 1,5m = 0,75kg

Anmerkung: Dies entspricht in etwa einer Springkandare, bei der der Zügel im oberen Schlitz verschnallt ist und der Zügel nicht waagerecht sondern in ca. 30° nach oben wirkt (siehe folgendes Bild). Das D der Springkandare entspricht dem Dreieck aus A, B und dem Zugpunkt, Punkt C ist die Aufhängung am Genickriemen, die Achse entspricht der Position des Mundstücks.

Abstrahierte Springkandare mit Zügel im oberen Schlitz.
Abstrahierte Springkandare mit Zügel im oberen Schlitz.

 

Rechnen wir dies noch mal für das Beispiel, bei dem die Verlängerung der Zugrichtung 0,43m hinter Punkt A lag. Da hier beide Drehmomente in die selbe Richtung wirken, müssen wir sie hier addieren.

Rechnung:

M(A) =  0,87kg x 2m = 1,74kg/m
M(B) =  0,13kg x 1m = 0,13kg/m
M(ges) = 1.74kg/m + 0,13kg/m = 1,87kg/m

F2 = 1,87kg/m : 1,5m = 1,25kg

Anmerkung: Dies entspricht einer Springkandare, bei der der Zügel im unteren Schlitz verschnallt ist.

Und nun noch einmal, wenn die Verlängerung der Zugrichtung exakt auf Punkt A liegt.

M(A) = 1kg x 2m = 2kg/m
F = 2kg/m :1,5m = 1,33kg

Und siehe da, die maximale Kraft die wir mit 1kg Zug an Punkt C (Anm.: Aufhängung der Kandare) erzeugen können, ist exakt das Verhältnis von Kraftarm zu Lastarm ( 2m : 1,5m = 1,33).

Also gilt für die Springkandare, wie für jede gerade Kandare, der maximale Hebel ergibt sich aus dem Verhältnis von Ober- zu Unterbaum.  Entscheidend für die tatsächliche Kraftentwickelung ist der Punkt, an dem die Verlängerung des Zügels auf den Baum trifft. Dieser wird natürlich davon beeinflusst, ob man den Zügel oben oder unten verschnallt, aber genauso von der Aufrichtung des Pferdes, Höhe der Reiterhand, Anzugwinkel und je nach dem wie weit das Pferd an die Senkrechte kommt.

Fazit

Nun noch meine persönliche Meinung zum Thema Rechnen rund um die Kandare. Ich habe den ganzen Hebel Kram, schon von wirklich renommierten Reitern/Reitlehrern gehört und gelesen (z.B. Branderup im Buch „Reiten auf Kandare“).

Nur was sagen diese ganze Hebelberechnungen aus? Eigentlich gar nichts. Es wird immer wieder der Fehler gemacht die Zügelkraft einer Trense über die Hebelgesetze mit der einer Kandare zu vergleichen zu wollen. Das ist Äpfel mit Birnen zu vergleichen, da wir die ganze Zeit die Kraft berechnet haben, die am dem Punkt wirkt, an dem die Kandare am Kopfstück befestigt ist.

Die Antwort mit wie viel Kraft eine Kandare nun auf das Maul des Pferdes wirkt, habe ich noch nirgendwo gefunden.

Dabei ist die Lösung eigentlich ganz simpel. Dazu verlassen wir die Mechanik, die Lehre von Kräften in der Bewegung, und wenden uns der Statik, der Lehre von Lasten bei ruhenden Körpern, zu. Das heißt, wir betrachten nur den Augenblick in dem sich die Kräfte aufheben und die Kandare sich in einer festen Position befindet.

Wir stellen uns jetzt eine asymmetrische Balkenwaage vor (1/3 zu 2/3 Teilung), die wir in der Hand halten. An die Wage hängen wir an die einen Seite 1 kg und an der anderen Seite 2kg. Der Balken ist nun im Gleichgewicht. Wir würden jetzt 3 kg in der Hand halten (plus Eigengewicht der Waage).

Wenn die Waage jetzt nicht in unserer Hand wäre, sondern auf einem Sockel stünde, würde sie mit 3kg auf den Sockel drücken.

 

Die Statik einer Kandare visualisiert

Nun zurück zur Kandare, wir ziehen mit 1Kg am Zügel und erzeugen an der Gegenseite eine Kraft von 2kg. Der Hebel wird sich so lange bewegen bis Kinnkette und Genickstück eine Gegenkraft von 2kg aufgebaut haben. Die Kräfte heben sich in diesem Moment auf. Der Hebel bleibt in diesem Winkel stehen, und solange sich nichts ändert, wird die Kandare in dieser Stellung bleiben.

Wenn wir genau diesen Augenblick betrachten, hängen die Zügelkraft (1kg) und die Gegenkraft von Kinnkette und Genickstück (2kg) als Lasten an der Waage. Auf den Sockel, also das Maul des Pferdes, wirkt jetzt eine Last von 3kg.

Hinweis: Wie sich die Kraft von 2kg genau zwischen Kinnkette und Genickstück verteilt, würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Eventuell mal in einem anderen Aufsatz … später.

Lastverteilung durch Kinnkette und Genickriemen
Lastverteilung durch Kinnkette und Genickriemen

 

Meine Theorie

Leider hat die Betrachtung der Kandare als zweiseitiger Hebel in der Realität einen kleinen Schönheitsfehler. Die Achse in unseren Berechnungen, im Maul des Pferdes, ist nicht fest gelagert sondern sie bewegt sich.
Eventuell müssen wir für die Berechnung der Kraft auf das Maul das System Kandare als einseitigen Hebel betrachten. Dann wäre das Auge am Oberbaum unsere Achse und die gesamte Länge der Kandare unser Hebelarm. Dann hätte unser Hebel nun ein Verhältnis von 3/4 zu 1/4 anstelle von 2/3 zu 1/3.

Abstrahierte Kandare

Leider ist auch das Auge des Oberbaums nicht wirklich fest gelagert. In der Realität haben wir es also mit einem System zu tun, dessen Achsen sich verschieben und welches vermutlich teils als ein- und teils als zweiseitiger Hebel wirkt (vgl. Wikipedia Hebel Ruder).

Eventuell verhält es sich ja so:

1. Bei beginnendem Anzug sind die Kinnkette und Genickstück entspannt. Die Gebissstange hebt sich wohl kaum oder gar nicht. Die Hebelachse liegt auf Höhe der Gebiss-Stange.
2. Bei steigendem Anzug beginnt die Kinnkette zu wirken, um ein Verschieben des Oberbaum-Endes nach vorn zu behindern. Auf das Genickstück entsteht Zug und die Gebiss-Stange drückt sich vermehrt in die Maulwinkel und Kiefer. Eventuell beginnt sich Hebelachse zu verschieben.
3. Bei weiter steigendem Anzug behindert die Kinnkette immer mehr das Ausweichen des Oberbaum-Endes nach vorn. Es entsteht immer mehr Zug auf das Genickstück. Gleichzeitig drückt sich die Gebiss-Stange immer mehr in die Maulwinkel und Kiefer. Die Kandare beginnt zwischen  Oberbaum-Ende und Gebissstange zu rotieren. Die Hebelachse verschiebt sich also. Für die Gebissstange wird die Kandare zum einseitigen Hebel. Bezogen auf das Oberbaum-Ende wird das Verhältnis Kraft- zu Lastarm immer größer.

Die Verteilung dieser Kräfte unter realen Bedingungen zu berechnen dürfte ein ziemlich schwieriges Unterfangen werden. Eventuell lässt es sich gar nicht berechnen, sondern nur messen. Dies wäre sicherlich ein spannendes Thema für die Diplomarbeit eines Biomechanik-Studenten.

Bleibt nur noch zu sagen – frei nach Bent Branderup – „Ein Stück Stahl im Maul eines Pferdes ist nie weich“ und „die Härte eines Gebisses liegt in der Reiterhand“.

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„Um die Ecke gedacht – Die Physik in der Kandare II“ von Ingo Driever steht unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

Tag 23 – Das Buch in deinem Regal, das die wenigsten Seiten hat

Von Cadmos gibt es ein paar Bücher in der Reihe Pferdewissen, welche auf exakt 32 Seiten einen Einstieg in verschiedene Bereiche der Reiterei bietet.

Ich habe aus dieser Reihe derzeit 2 Bücher. Das eine ist der Einstieg in die Doppellongenarbeit und das andere Stangenarbeit. Die Bücher geben natürlich keinen vollständigen Abriss der Thematik soondern wie gesagt einen kurzen Einstieg. Mit dem Buch Stangenarbeit habe ich mich noch nicht so intensiv beschäftigt, werde es aber demnächst tun, da ich Nevado nach und nach ein kleine Sprünge heranführen will. Er soll kein Springpferd werden, aber ich meine, dass es nicht schadet ein paar Grundlagen zu können.
In diesem Sinne erwarte ich von dem Buch ein paar grundlegende Sachen, die man in Kombination mit Unterricht vertiefen kann.


Tag 17 – Augen zu und irgendein Buch aus dem Regal nehmen

Wie die letzten zwei Tage bin ich auch heute etagen-weise vorgegangen. zusätzlich hab ich mich ein paar Mal im Kreisgedreht und mit geschlossenen Augen zugegriffen. Ich hab auch ein paar Mal daneben gegriffen und Bücher erwischt, die ich hier schon aufgeführt habe. Also nochmal im Kreis drehen … Nachdem ich taumelnd mein Notebook wiedergefunden habe, kann es nun losgehen.

Ganz oben habe ich „Die andere Bildung“ von Ernst Peter Fischer gegriffen. Das Buch hab ich mal geschenkt bekommen, als ich noch Schüler war. Es soll Wissenschaft mit Bildung verknüpfen, indem Zusammenhänge auf originelle Art erklärt werden. Ich hab damals leider nicht die Muse gehabt es zu Ende zu lesen, aber ich werd das wohl demnächst mal tun. Man lernt ja nie aus.

Als nächstes habe ich von Xenophon gegriffen – eine zweitausend Jahre alte Abhandlung „Über die Reitkunst“. Das Buch habe ich mir als Abo-Geschenk der Cavallo ausgewählt, aber leider noch nicht die Geduld gehabt es intensiv zu lesen. Solch alte Bücher haben ja leider meist die Eigenschaft, dass sie sprachlich kompliziert sind, weil damals nunmal anders gesprochen wurde als heute.

Es folgt „Eine unbeliebte Frau“ von Nele Neuhaus. Das Buch ist das erste in der Taunus-Reihe und handelt passender Weise in den Wirren eines Reitstalls. Darin werden viele Marotten und Problemchen geschildert, die jeder Reiter aus eigener Erfahrung kennt und das macht das ganze auch so authentisch und spannend.

In der nächsten Etage habe ich auf Jussi Adler-Olsen getippt. „Erbarmen“ ist der Auftaktroman der Thriller-Reihe und das Buch war dermaßen spannend, dass ich es in 1 Tage gelesen hätte, wenn ich nicht zwischendurch arbeiten, essen, trinken, schlafen … hätte müssen. Absoluter Nervenkitzel.

Zu guter letzt – ich musste in die Knie gehen und meine Kreise drehen; jeder außenstehende hätte mich mit einer betrunkenen Ente verwechselt – habe ich einen Allgäu-Krimi gegriffen: „Milchgeld“ von Volker Klüpfel und Michael Kobr. Die Geschichte war spannend und interessant zu lesen, aber so wirklich bin ich mit der Erzählweise nicht klar gekommen. Aber das geht mir häufiger so bei deutschen Regional-Krimis … Nele Neuhaus ist da die hervorstechende Ausnahme.



Tag 15 – Das 4. Buch in deinem Regal v.l.

Heute möchte ich vier Bücher vorstellen aus einem einfachen Grund: Mein Bücherregal hat natürlich nicht nur eine Etage, sondern sechs und nur in den unteren zwei Etagen stehen Bücher, die weniger zur Vorstellung taugen – konkret: Meine Briefmarkensammlung (ja, auch das noch) und das „Dr. Oethker Grundbackbuch“.

In der obersten Etage stehen Geschichstbücher und Schullektüre. Das vierte Buch von links ist eine Dokumentation über „50 Jahre Bundeswehr“. Dieses Buch habe ich im Rahmen des Tages der offenen Tür der Bundesregierung 2006 erhalten, als ich im Bendlerblock als Sitz des Bundesministeriums der Verteidigung in Berlin die Universität der Bundeswehr München mitrepräsentiert habe.

In der nächsten Etage finden sich Fachbücher zur Reiterei und die ersten Romane. An vierter Stelle steht „Reiten auf Kandare“ von Bent Branderup. Ein wunderbares Buch, von dem man aber keine Anleitung zum Reiten auf Kandare erwarten darf. Vielmehr ist ein historischer Abriss sowie eine Art wissenschaftlicher Aufarbeitung über die Wirkung von Kandaren. Ich finde es unheimlich interessant und schlage auch gern darin nach. Was ich faszinierend finde, ist, dass dieses vergriffene Buch bei diversen Händlern knapp 130 Euro kosten soll (spricht für die Nachfrage). Der Neupreis lag damals bei 30 Euro, wenn ich mich recht erinner.

In der folgenden Etage geht es mit den Romanen weiter. Auf der linken Seite finden sich einige Romane von Dan Brown und an vierter Stelle „Diabolus“. Dieser Thriller hat Kryptografie als Dreh- und Angelpunkt. Da ich vom Studium her in diesem Bereich die eine oder andere Erfahrung habe, war es sehr amüsant, dieses Buch zu lesen. Für jemanden, der keine Ahnung von Kryptografie hat, ein spannender Thriller, für alle anderen eine spaßige Abwechslung.

Zu guter Letzt findet sich die Argeneau-Reihe: eine Vampirroman-Serie von Lyndsay Sands. Das vierte Buch in dieser Reihe ist „Immer Ärger mit Vampiren“. Da die Reihe mittlerweile recht umfangreich ist, fällt es mir schwer konkret zu sagen, worum es in diesem Teil geht. Muss aber gut gewesen sein, sonst stünden nicht 13 Teile der Serie im Regal.


Tag 14 – Ein Buch aus deiner Kindheit

Quelle: Amazon
Quelle: Amazon

Ein Buch aus meiner Kindheit ist die 11-teilige Reihe „Britta und ihre Pferde“ von Lisbeth Pahnke. Ich hatte (oder habe?) die Gesamtausgabe gehabt mit dem nebenstehenden Cover. Damals hab ich wohl gerade mit dem Reiten angefangen und hab noch Wendy gelesen. Meine Welt war quasi noch in Ordnung.

Den Schimmel und seine Reiterin auf dem Cover fand ich übrigens immer total faszinierend und hab mir vorgestellt, wie ich so durch die Landschaft presche … Traum hat sich erfüllt 🙂

Vermisst: Das englische Reithalfter

Bereits bei der letzten Katalogwelle fiel mir auf, dass es keine Trensen mit englischen Reithalfter zu kaufen gibt. Es gibt vereinzelt mexikanischer Reithalfter, hannoversche und massenweise englisch kombinierte, teils mit schwedischer Verschnallung. Englische Reithalfter findet man nur bei Kaltbluttrensen oder Kandarenzäumen. Selbst bei den Einzelteilen gibt es kein englisches Reithalfter. Lediglich ein „Kandaren“-Reithalfter.

Wo man hinsieht: kombinierte Reithalfter
Wo man hinsieht: kombinierte Reithalfter

 

Angebot und Nachfrage

Diese Marktentwicklung ist nach meiner Ansicht einfach auf die Nachfrage zurückzuführen. Es besteht kein Bedarf an englischen Reithalfter, stattdessen werden kombinierte und schwedische Reithalter nachgefragt. Jetzt könnte man annehmen, das sei ein Modetrend – Ein kombiniertes Reithalfter sieht hübscher aus und ein schwedischer ist irgendwie cooler? Ich denke, das Problem ist eher in der Qualität des Reitens und der Ausbildung zu suchen. Dazu muss man sich Gedanken machen, welche Wirkungsweise welches Reithalfter hat und welche Möglichkeiten sich ergeben.

Wirkweise verschiedener Reithalfter

Ein englisches Reithalfter hat zunächst gar keine Wirkung. Erst, wenn das Pferd das Maul öffnet, um sich der Zügelhilfe zu entziehen, übt es Druck auf Laden und Nase aus und wirkt dem Entziehen entgegen. Damit die Einwirkung eher sanft wirkt, ist der Nasenriemen breiter als gewöhnlich (wie man es bei Kandaren sieht).
Das hannoversche Reithalfter wird über den Gebissringen verschnallt und sorgt dafür, dass das Gebiss ruhiger im Maul liegt.
Das kombinierte Reithalfter soll die Vorteile von englischem und hannoverschem Reithalfter kombinieren. Eigentlich soll der Sperrriemen locker verschnallt werden, so dass er erst zur Wirkung kommt, wenn das Pferd das Maul aufsperrt. In der Regel wird der Sperrriemen jedoch sehr fest zugezogen, so dass teilweise die Kautätigkeit verhindert wird.
Das schwedische Reithalfter ähnelt dem kombinierten. Der Unterschied liegt in der Verschnallung, welche über eine Umlenkrolle erfolgt. Diese Umlenkrolle erleichtert das Verschließen ungemein – manchmal zu sehr, denn durch den flaschenzugartigen Effekt ist man geneigt, das Halfter zu eng zu verschnallen. Evtl. ist dies auch ein Grund für die starke Abpolsterung schwedischer Reithalfter.

Der Fehler sitzt bekanntlich im Sattel

Der Verdacht liegt m.E. nahe, dass ein kombiniertes oder schwedisches Reithalfter vielen Reitern das Leben erleichtert – ob bewusst oder unbewusst sei dahin gestellt. Bei den Westernreitern gilt ein Reithalfter übrigens als Hilfszügel, was die Sache ziemlich auf den Punkt trifft. Statt an der Ursache zu arbeiten wird wie so oft eher am Symptom gedoktort.
Über die Wirkung von Reithalftern sollte sich jeder mal Gedanken machen sowie über das richtige Verschnallen dieser. Wer dann nicht mit seinem Pferd klar kommt und auf Widerstand stößt, muss m.E. bei der Fehlersuche und -behebung woanders anfangen. Eventuell gibt es dann auch irgendwann wieder englische Reithalfter im Handel und nicht nur bei „kleinen“ Sattlereien.