Frisch beschlagen mit Duplos

Nein, nicht die längste Praline der Welt, sondern ein Kunststoffbeschlag.

Lange habe ich überlegt, ob ich überhaupt Nevado beschlage. Eigentlich hat er sehr gute,feste Hufe, für einen Andalusier sogar eine sehr gute Hufstellung und -weite. Es bestand für mich also zunächst kein Grund zu beschlagen und damit den Hufmechanismus einzuschränken oder gar zu stoppen.
In letzter Zeit waren wir aber viel im Gelände. Unsere große Runde beträgt etwa 17km und führt durch Ortschaften und Wald. Die Hufe haben sich dabei erwartungsgemäß abgeraspelt und waren an den Kanten immer leicht ausgebrochen. Das ist nicht ungewöhnlich, schränkt aber irgendwann ein und bevor ich bei strahlenden Sonnenschein da stehe und mich sagen höre „Ich kann nicht mit, das Pony hat keine Hufe mehr.“ habe ich mich für Beschlag entschlossen.

Ausschlaggebend war dabei aber auch, dass ich die Duplo-Eisen kennen gelernt habe. Dabei handelt es sich um einen Kunststoffbeschlag, der in der Wanderreiter-Szene äußerst beliebt ist.

Erstmals in Kontakt mit dem Beschlag bin ich bei einem Appaloosa-Züchter, der ausschließlich diese „Eisen“ verwendet und seit einiger Zeit verwendet sie auch meine liebe Marita für ihren Criollo. Rubio hatte sehr kurze Hufe, wenig Trachten und kaum Wachstum. Da der Kunststoffbeschlag so flexibel ist, dass er die Hufmechanik zulässt im Gegensatz zu starren Stahleisen, ist das Hufwachstum besser angeregt und ein ungleichmäßiger Abrieb wird vermieden. Die Duplo-Beschläge haben im Kunststoff einen Eisenkern, der einerseits die Flexibilität des Eisens erlaubt, aber andererseits so viel Stabiltät gibt, dass das Eisen sich nicht in sich verdreht. Außerdem bietet der Eisenkern ein fester Ankerpunkt für die Hufnägel, die weiterhin notwendig sind. Der Halt am Huf wird zusätzlich durch kleine spitze Noppen (1mm Höe in etwa) verstärkt die sich an die Sohle krallen.
Die „Eisen“ sind außerdem geschlossen wie Eier-Eisen. Dadurch haben sie in sich nochmal mehr Stabilität und lassen sich außerdem schneller als orthopädische Eisen verwenden, die ja in der Regel erst geschmiedet werden müssen. Diesen Punkt fand ich übrigens sehr interessant, da meine alte Lady ja auch Eier-Eisen wegen ihrer kaputten Sehne hatte und ich irgendwann den Gedanken hatte, dass mehr Hufmechanik für ihr Sehnenproblem von Vorteil gewesen wäre. Damals kannte ich diese Beschlagart aber noch nicht. Allgemein und unabhängig von Sehnenproblemen wird durch den Steg der Sehnenapperat unterstützt, es birgt aber auch die Gefahr, dass ein „Eisen“ schneller abgetreten wird. Da der Kunststoff aber leicht nachgibt, ist der Hebel, der durch das Reintreten entstehen würde, weniger heftig und es würde weniger kaputt gehen, wenn überhaupt.
Wenngleich ich nicht vorhabe, Nevado im Winter auch zu beschlagen, bieten die Duplos eine integrierte Lippe ähnlich den Hufgrips, so dass das Aufstollen verhindert wird.

Gerade der Aspekt, das der Hufmechanismus erhalten bleibt, war für mich entscheidend, da ich ungern Nevados gute Hufe mechanisch „kaputt“ machen wollte.

Am Freitag war es dann soweit. Das Vorgehen bei Duplo-Eisen ist ähnlich wie beim Kaltbeschlag. Die Hufe werden also sehr korrekt geschnitten und plan gemacht (ein Vorgang, der durch das Aufbrennen von Eisen entfällt, da das Brennen den Huf plan macht). Anschließend wird das in der Größe passende „Eisen“ angelegt, markiert und entsprechend in Form „geschnitten“.
Dann werden die Eisen wie gewohnt aufgenagelt, was Nevado erstmal sehr komisch fand und meinte er müsse sich dieser Prozedur nach oben entziehen – der Schlingel. Bevor er das ein zweites Mal versuchen konnte, hab ich ihn mit Leckerli auf dem Boden der Tatsachen beschäftigt … Funktionieren doch alle gleich, die Ponies.
Nach dem ersten Aufnageln ging es ein paar Runden im Schritt auf harten Boden, damit sich die „Eisen“ setzen und die kleinen „Spikes“ greifen können. Zum Abschluss, wie bei normalen Beschlag auch, werden die Nägel gekappt, nochmal übergeraspelt und fertig ist der Duplo-Beschlag.

Die ersten Schritte waren für Nevado nicht anders als sonst. Die Duplos wiegen wesentlich weniger als ein Stahleisen und die Hufe werden etwas kürzer geschnitten, damit der Höhenunterschied nicht so enorm ist (wie bei herkömmlichen Eisen auch). Nevado ist so gleich auf der Koppel losgestürmt.
Am Folgetag sind wir ganz normal geritten und außer der Tatsache, dass Nevado seinen Motor gefunden hat, war kein Unterschied zu spüren. Gester ging es erstmals ins Gelände und wir konnten uns auf Untergründen flott bewegen, auf denen man barhuf aber auch mit Stahleisen weniger schnell unterwegs sein würde. Das liegt daran, dass die Eisen eine zusätzliche Dämpfung bieten und dazu noch griffiger sind als Stahleisen.

Die nächsten großen Ritte können also kommen und vielleicht sind wir ja demnächst konditionell auch für einen mehrtägigen Ritt fit … zum Beispiel Elsass oder so.

… und ich wollte putzen!

Vergangene Woche kam Marita ganz spontan auf mich zu und fragte, ob ich nicht Lust hätte, am Wochenende an den Rand des Westerwalds zu fahren.

Herbert Fischer signiert sein Buch
Herbert Fischer signiert sein Buch

Genauer gesagt ging es nach Reckenthal/Montabaur auf den Fischerhof von Herbert Fischer. Herbert Fischer wird häufig als Wanderreit-Papst bezeichnet, da er bereits vor 30 Jahren das Wanderreiten populär machte. Mittlerweile gibt es einen ganzen Verein – die Deutsche Wanderreiter-Akademie – um das Wanderreiten herum, welcher fachkundige Unterstützung in allen Bereichen des Wanderreitens bietet: von der Ausbildung zum Wanderrittführer, über Ausrüstung, Pferdewahl bis zur Organisation ausgedehnter Touren quer durch Europa.
Am vergangenen Wochenende fand das alljährliche Frühlingsfest statt, welches gleichzeitig der zelebrierte Auftakt der Wanderreit-Saison darstellt. Zu diesem Anlass stellte Herbert Fischer auch sein frisch gedrucktes Buch „Die Wanderreiter-Akademie“ vor.

Am Vorabend trafen wir uns in gemütlicher Runde bei Wein und gutem Essen. Ich hatte dabei die Gelegenheit tolle Persönlichkeiten kennen zu lernen und Gespräche zu führen, die mir noch lange in Erinnerung bleiben werden.

Carsten Nordenhof reitet nach ca. 1000km zu Pferd ein
Carsten Nordenhof reitet nach ca. 1000km zu Pferd ein

Am Sonntag – bei herrlichem Sonnenschein – fand dann das eigentliche Fest statt. Erster Höhepunkt war der Einritt von Carsten Nordenhof, der im Februar auf der dänischen Insel Seeland in den Sattel gestiegen ist und (fast) pünktlich zum Frühlingsfest auf seinem Pferd Sheewa auf dem Fischerhof eingeritten ist. Mit dem Auto ist das gem. Google-Maps ungefähr eine Strecke von 970 km. Heutzutage ist es fast unvorstellbar, diese Strecke zu Pferd zu absolvieren. Während Carsten Nordenhof diese Strecke mühelos absolviert, scheitern manche Reiter schon an längeren Ausritten. Dabei will ich mich nicht ausnehmen, denn (je nach Sattel) tut mir nach 2-4 Stunden im Sattel schon alles weh. Für solch eine Leistung wie die von Carsten Nordenhof und der vielen anderen Wanderreiter habe ich wirklich großen Respekt.

Schauspieler Jürg Löw rezitiert aus Herbert Fischers Buch
Schauspieler Jürg Löw rezitiert aus Herbert Fischers Buch

Im Anschluss präsentierte der Schweizer Schauspieler und Präsident der Wanderreiter-Akademie Jürg Löw das frisch erschienen Buch von Herbert Fischer, bevor dieser selbst zum Mikrofon griff und die Mitwirkenden des Buches vorstellte. Dazu gehören unter anderem der Vorsitzende des Reiterkorps der Großen Kölner Ulrich Diefenbach, der das Buch verlegt hat (diba-Druck), und Fotografin Dana Krimmling, welche eine  Großteil der Bilder beigesteuert und die Bildredaktion geführt hat.
Das Buch ist eine Art Leitfaden zum Thema Wanderreiten: Ausrüstung, Vorbereitung von Pferd und Reiter, Checklisten, aber auch Anekdoten sind im Buch zu finden. Eine Anekdote, die Herbert Fischer erzählte, ist, dass das Buch bereits vor 10 Jahren durch den Cosmos-Verlag herausgebracht werden sollte. Da der Verlag jedoch zu viele Passagen ändern wollte, was Herbert Fischer missfiel, wurde das Projekt gestoppt und wurde jetzt erst bei diba-Druck beendet. Rückblickend sicherlich ein erhebender Moment für alle Beteiligten.

Herbert Fischer und Christoph Rieser an einem Windrosensattel
Herbert Fischer und Christoph Rieser an einem Windrosensattel

Später, nachdem wir schon abgereist waren, war noch Sattler Christoph Rieser zugegen, welcher unter anderem den Windrosen-Sattel baut – ein Sattel, der speziell auf die Ansprüche des Wanderreitens konzipiert wurde.

Insgesamt war es ein sehr interessantes Wochenende, obwohl ich (noch) nichts mit der Wanderreiterei am Hut habe. Ein Geländereiter war ich schon immer, Jagden bin ich auch immer sehr gerne geritten, aber einen Wanderritt habe ich leider erst einmal gemacht. Die Erzählungen und Eindrücke, die ich an dem Wochenende erfahren habe, machen Lust auf mehr. Ich bin auch fest überzeugt davon, dass ich mit Nevado mal einen oder gar mehr Wanderritte machen werde. Dazu muss Nevado aber noch etwas älter werden, denn mit frisch gebackenen 4 Jahren ist er von Körperwuchs und Kondition noch weit davon entfernt, längere Strecken durchzuhalten. Dazu sollte er nach Herbert Fischers Buch mindestens 6 Jahre alt sein, rassebedingt – denn Andalusier wachsen bis zum Alter von 8 Jahren – könnte es sich auch noch länger hinauszögern.

Gut Ding will eben Weile haben.

Fotos: Mit freundlicher Genehmigung der herzallerliebsten Dana Krimmling *kuss*, auf deren Webseite noch zahlreiche weitere Impressionen des Frühlingsfestes auf dem Fischerhof zu sehen sind.

PS: Ja, ich habe kurz vor Abfahrt überlegt doch lieber Frühlingsputz statt Frühlingsfest zu machen. Marita wird mir das noch in zig Jahren vorhalten 😉