Protokoll einer L-Dressur auf Kandare

L-Dressur auf 20 x 60m
L-Dressur auf 20 x 60m

Ich hatte neulich die Gelegenheit bei einer Dressurprüfung der Klasse L zu protokollieren. Es handelte sich um eine L**-Prüfung auf Kandare und konkret um die L10 der aktuellen Leistungsprüfungsordnung von 2012 auf einem 60er Viereck. Die L-Prüfung selbst ist sehr anspruchsvoll und durchaus zum Übergang zur Klasse M zu sehen. Es werden u.a. Schulterherein, Trabtraversalen, Übergänge vom Mittel- zum starken Schritt verlangt aber auch eine anspruchsvolle Galopptour. Es waren dabei Schlangenlinien auf der Mittellinie in 4 Bögen zu reiten, wobei der erste und vierte Bogen Handgalopp war, der zweite und dritte Bogen Außengalopp und über X musste von einem Außen- in den anderen Außengalopp einfach gewecheselt werden.

Nun bin ich ja kein Turnierreiter und war schon seit Langem auf keinem Turnier mehr. Protokolliert habe ich auf einem Turnier noch nie, aber das sollte der Sache keinen Abriss tun. Meine Erwartungen waren durchwachsen. Oft hört man ja, dass ein Problem der Reiterei bei den Richtern und den regionalen Turnieren läge. Es würde nach Nasenfaktor gerichtet, der oftmals mit Geld zu tun hat und der Rollkur könne hier Einhalt geboten werden, denn immerhin ist das die Basis … Viel Vorurteil also.

Dementsprechend habe ich mich zu Beginn der ersten Abteilung bei C sitzend eher zurückgehalten und erstmal fleißig geschrieben. Zu schreiben gab es viel, da die erste Abteilung aus den eher schwächeren Reiter-Pferd-Paaren bestand und hier sehr häufig die Note 0-5 vergeben wurde, die im Protokoll begründet werden muss. Im Schulterherein war sehr häufig zu viel Abstellung zu sehen, die Verstärkungen und Übergänge innerhalb der Gangarten waren vielfach nicht deutlich genug bzw. gar nicht zu sehen. Leider verritten sich auch einige Reiter. Einige Pferde hatten leider auch keine Nerven, was zu sehr spanningen Bewegungen und tw. groben Ungehorsam führte. Was auch sehr häufig zu sehen war und etwas verwunderlich war, ist, dass die Pferde nicht gerade auf der Mittellinie oder den langen Seiten ging. Sie waren in sich schief und schlecht eingerahmt.
Ich kann nicht sagen, ob die Noten gerechtfertigt waren, da ich dazu schlicht zu wenig Vergleiche habe, die Begründungen allerdings fand ich durchweg passend. Sicher sind sie sehr knapp und wiederholen sich, was einfach an der schnellen Abfolge der Lektionen liegt. Der Richter diktiert nunmal keinen Roman sondern in knappen Worten, was er sieht und die Note: „undeutlich, nicht gerade, zu viel Abstellung, LB & St verbessern (Längsbiegung und Stellung), Kurzkehrt gedreht …“

Bei der zweiten Abteilung, bei der ich mit der Richterin bei H saß, waren fortgeschrittenere Reiter zu sehen, was sich in den Noten und der Menge der Kommentare niederschlägt. Aber auch wenn die Noten in dieser Abteilung selten unter 5 gingen, gab es noch einiges zu schreiben: undeutliche Übergänge, zu großes Kurzkehrt, einfacher Wechsel über zu wenig Schritt. Der Notenschnitt war insgesamt besser, wie zu erwarten, aber auch nicht überragend. Insgesamt ging keine Wertung über 8.

Was mich positiv überraschte, war, dass auch oft zu enge Hälse als Bemekung ins Protokoll ging, genauso wie offene Mäuler und spanninge Tritte. Die Richterin wünschte sich mehr über den Rücken gerittene Lektionen. Auch die Outfits der Reiter wurden – außerhalb des Protokoll natürlich – kommentiert: ein Herr in Lacksteifeln, Strass wohin man nur schaut … Nix davon beeindruckte die Richter, genauso wenig, wie vergangene Leistungen, denn man kennt sich selbstverständlich in der Region und tw. darüber hinaus.

Das gesamte Feld von ca. 50 Pferd-Reiter-Paaren war sehr durchwachsen und mit Blick auf die schwere Aufgabe nicht sehr leistungsstark. Bei vielen Paaren fragte man sich, wie sie auf die Idee gekommen sind, an den Start zu gehen. Teilweise war auch für mich, als Turnier-Laien sichtbar, dass der Leistungsstand noch nicht da war. Als Erfahrungsritt kann man das eigentlich auch nicht bezeichnen, da dafür eine einfache L-Dressur oder gar nur eine A-Dressur ausreicht um Turnier-Luft zu schnuppern. Auch dürfte die ein oder andere Leistung ein negatives Bild auf die zugehörigen Trainer werfen?!

Liegt es möglicherweise an Selbstüberschätzung oder zu viel Ehrgeiz?

Eine Richterin erzählte mir von einem interessanten Erlebnis: Sie kritisierte vor der Prüfung ein Reiter-Pferd-Paar, dass Nasenriemen und Sperrriemen zu eng verschnallt seien. Das Pferd atmete wohl deutlich hörbar sehr schwer. Der Vater oder Trainer (oder beides) der Reiterin kritisierte daraufhin die Richterin, was sie sich da einmische. Die Leistung des Paares war dann wohl auch relativ schlecht, da das Pferd schon so ausgelaugt war, dass es nur durchs Viereck schlurfte. Das Reiter-Pferd-Paar war fortan auf keinem Turnier mehr in der Saison gesehen.
Tatsächlich ist die Ausrüstung kein Bestandteil der Prüfung. Durchfallende Kandaren, wie man sie beispielsweise zu Hauf gesehen hat, oder ein zu weit vorn liegender Sattel flossen somit nicht in die Wertung ein, abgesehen von den Folgen wie zum Beispiel zu wenig Schulterfreiheit.

Doch leider wurden nur ein Teil der Protokolle durch die Reiter abgeholt, dabei soll das Protokoll doch auf Fehler und Richtiges hinweisen, damit der Reiter weiß, woran er arbeiten muss. Man fragt sich zwangsläufig, warum einige Reiter kein Interesse in dieses Feedback haben und warum manch Reiter sogar ungehalten werden über, das was da zu lesen ist? Der Sinn einer Prüfung ist ja nicht Geld auszugeben und seine neue Strass-Schabracke rumzuzeigen, sondern sich einem Urteil zu unterziehen, um sich letztlich weiterzuentwickeln. Wer sich dem Turnier-Trubel aussetzt, sollte m.E. auch kritikfähig sein.