Vom Weg abgekommen …

Violetta und Alfredo (Quelle: staatsoper-berlin.org)

… wären wir beinahe am Sonntag auf der Suche nach einem Parkplatz am Schillertheater in Berlin. Dort wurde nämlich Guiseppe Verdis „La Traviata“ aufgeführt und ich nehm es gleich vorneweg: Es hat mir sehr gefallen und es war mit Sicherheit nicht die letzte Oper, die ich mir angesehen habe.

„La Traviata“ ist eine Oper in 3 Akten und erzählt von der Edelkurtisane Violetta Valéry, die sich in den schönen Alfredo Germont verliebt. Doch Violetta leidet unter Tuberkulose, was für sie über kurz oder lang das Todesurteil bedeutet und so steht die Liebe zwischen Violetta und Alfredo von Anfang an unter einem schlechten Stern. Außerdem verlangt Alfredos Vater von Violetta, dass sie sich von ihm trennt und so das Glück der Familie Germont nicht stört – immerhin ist Violetta eine Mätresse. So verzichtet Violetta auf ihre große Liebe und als sie auf einem Fest mit dem Baron Douphol erscheint, stellt Alfredo sie vor der anwesenden Gesellschaft bloß. Erst als Violette einsam im Sterben liegt, findet Alfredo zu ihr zurück, der sich mit dem Baron duelliert hatte und vorerst im Exil lebte. Violetta erlebt einen letzten glücklichen Hoffnungsschimmer und verstirbt.

Zur Zeit der Uraufführung war Verdis Oper sehr kontrovers diskutiert, da sie mit einer Prostituierten als Protagonistin ein Tabu-Thema auf die Bühne brachte, dennoch wurde „La Traviata“ zu einer der bekanntesten und beliebtesten Opern und das Thema ist meiner Meinung nach zeitlos.
Wer „Pretty Woman“ kennt, wird übrigens auch „La Traviata“ in Auszügen gesehen haben, denn das ist die Oper, in die die Prostituierte Vivian (Julia Roberts) von ihrem gesellschaftlich hoch angesehen Verehrer Edward (Richard Geere) eingeladen wird.

Da ich nun zum ersten Mal in der Oper überhaupt war, kann ich diese Aufführung natürlich mit nichts vergleichen. Mir hat sie jedenfalls sehr gefallen und war fasziniert, mit welch einfachen Mitteln die Geschichte dargestellt wurde. Das Bühnenbild war nämlich äußerst minimalistisch genauso wie die Kostüme. Bis auf Violetta waren alle Akteure in schwarz gekleidet, Violetta trug ein weißes Kleid und stach so aus der Menge hervor – eine Mätresse am Rande der Gesellschaft. Bis auf ein paar Stühle war die Bühne sonst leer und nur in schwarze Vorhänge getaucht. Außerdem verhüllte ein gespannter Gaze-Vorhang die gesamte Bühne: die Gaze diente so als Leinwand für Lichteffekte und gab dem Zuschauer das Gefühl auf die Szenerie zu blicken, wie ein heimlicher Beobachter durch den Vorhang oder wie der Blick auf das Treiben in eine Schneekugel. Die Lichteffekte auf der Leinwand waren lediglich drei Arten: perlende Wassertropfen, die die Einsamkeit von Violetta untermalten, flackerndes Licht (wie Feuerwerk), das die Feste und Violettas auflebende Hoffnung untermalten und als drittes Straßen und Wege, die die Reisen von Violetta und Alfredo kennzeichneten, ob nun wirkliche Reisen (bsp. nach Paris) oder gedankliche Reisen.

Auf dem Heimweg hab ich mir dann auch reichlich Gedanken über diese Symbolik gemacht. La Traviata ist ja „die vom Wege Abgekommene“ bzw. „die Verirrte“ und es gibt zahlreiche schlaue Sprüche, Redensarten und Vergleiche, die auf den „Weg“ zurückgreifen:

– Der Weg ist das Ziel
– Viele Wege führen nach Rom
– Der Lebensweg
– Der rechte Weg
– Kein Weg zurück
– Entscheidungen sind wie Weggabelungen
– Der Scheideweg
– …

Abenteuer Bahnfahren

(c) Rainer Sturm / pixelio.de

Da fahr ich einmal in 10 Jahren Bahn und ich nehm fast alles mit was einem dabei passieren kann.

Zunächst war ich ja ganz froh, mich für die Bahnfahrt entschieden zu haben. Immerhin war mir ja vor zwei Wochen jemand ins Auto gefahren. Der Schaden ist zwar nicht groß, aber ohne Spurvermessung wollte ich ungern auf knapp 1500-Kilometer-Tour gehen. Außerdem herrscht in Südbrandenburg grad Hochwasser und ich wollt ungern Gefahr laufen auf der gesperrten A13 zu stehen. Also unbewusst in weiser Voraussicht alles richtig gemacht.

Um 12:31 Uhr ging gestern meine S-Bahn zum Münchner Hauptbahnhof, wo ich dann 20 Minuten Zeit hatte meinen ICE zu finden. Das war auch gar kein Problem und dank Kopfbahnhof ist jedes Gleis ja auch gut zu erreichen, weshalb ich aus Kundensicht schon S21 nicht nachvollziehen kann.
Also schnell die zweite Steckdose mit dem Notebook belegt und schon ging sie los die Fahrt. Mir gegenüber saß ein Unternehmensberater und Motivationstrainer – ich hab so jemanden jetzt mal live kennen gelernt und muss sagen: Es waren sehr interessante Gespräche.
Die Fahrt ging zügig und ohne Verzögerung, allerdings hat der ICE irgendwo zwischen Leipzig und Berlin dann doch Zeit verloren: 3 Minuten. Das ist jetzt nicht wirklich viel, wenn man aber bedenkt, dass ich bei planmäßiger Ankunft nur 8 Minuten auf dem Lehrter Hauptbahnhof in Berlin haben sollte, um meinen Anschlusszug zu erwischen, sind 3 Minuten katastrophal.

Es kam dann auch so wie es kommen musste: Der ICE kam auf Gleis 7 im Untergeschoss an und der Regionalzug sollte auf Gleis 12 abfahren – 4 Etagen in 5 Minuten. Ich hab es nicht geschafft, stand dafür aber schon im Intercity aus Köln nach irgendwo. Aber auf die Bahn ist ja Verlass – wenn Verspätung, dann auch konsequent: Der Regionalzug hatte ebenfalls 5 Minuten Verspätung und fuhr auf Gleis 11 ein, kurz nachdem ich wutentbrannt meine Sache in die Ecke gefeurt hatte. Erleichert und außer Atem saß ich also in meinem Regionalzug in Richtung Frankfurt/Oder.

Das nächste Highlight waren die Gestalten im Regionalzug: Mir gegenüber setzte sich ein Mann mit Einkaufstüten. Nichts besonderes. Allerdings zog er dann aus seinem Rucksack einen Kräuterschnaps. Ok – vielleicht hat er ja Sodbrennen oder so. Dem Schnaps folgte eine Flasche Bier und der folgte noch ein Schnaps und noch einer. Ein paar Meter weiter saß noch so ein illustres Gespann: Kaum das der Zug anfuhr, wurden die Bierflaschen gezückt. Die beiden rutschen gefühlte 20 Mail von ihren Sitzen und torgelten genauso oft aufs Klo. Als ich später hinter den beiden lief, schlug mir eine Alkoholwolke entgegen, dass ich beinahe ins Gleisbett gekotzt hätte. Zu dem Zeitpunkt war es gerade mal acht Uhr durch.

Kaum hatten wir den Speckgürtel Berlins hinter uns und es ging hinaus in die brandenburgische Pampa, gab es Stillstand. Zu dem Zeitpunkt hatten wir bereits 20 Minuten Verspätung. Dann die sachlich, freundliche Durchsage (sinngemäß):

„Da es auf dem Gegengleis zu einem Personenunfall gekommen ist, werden wir auf unbestimmt Zeit im Bahnhof Fangschleuse stehen. Wir danken für Ihr Verständnis.“

Na bravo – entweder ein Selbstmöder oder ein Bekloppter, der im Wald die Gleise überqueren wollte – ich vermute ersteres, traue letzeres aber grundsätzlich jedem zu. 10 Minuten später dann die ernüchternde, aber zu erwartende Durchsage (immernoch sachlich, freundlich):

„Verehrte Fahrgäste, leider endet dieser Zug hier. Es wird einen Schienenersatzverkehr geben. Dieser Zug fährt gleich nach Berlin zurück.“

Mit anderen Worten: Die Verunglückte Person hat das Zeitliche gesegnet und die Aufräumarbeiten, Spurensicherung etc. dauern länger.

Also ab in die Kälte und warten. Für die etwa 100 Fahrgäste gab es dann genau einen Bus. Ich gehörte zu den 30-40 Leuten, die nicht mehr reingepasst hatten. Ich hab dann meine Mama angerufen und sie gebeten mich am nächsten größeren Bahnhof abzuholen, wo der Schienenersatzverkehr uns hinbringen sollte. Aber von einem zweiten Bus war weit und breit nichts zu sehen. Nur Blaulicht, das regelmäßig parallel zu den Gleisen im Dunkel verschwand.
Am Bahnhof wartend bin ich dann mit einer jungen Frau ins Gespräch gekommen, die sich von ihrem Bruder abholen lies. Da sie und ihr Bruder quasi dieselbe Strecke nehmen wollten wie der Schienenersatzverkahr, hat sie mir freundlicherweise angeboten, mich mitzunehmen. Fand ich wirklich super freundlich.

Der Bruder der Frau war dann aber schon eine komische Gestalt. Die Musik (von Kasette!) so laut, dass man sich selbst nicht mehr reden hörte und ein Fahrstil jenseits von Gut und Böse, ohne dabei aber eine Kurve rund fahren zu können. Die Musik kam mir auch recht schnell komisch vor: die „Sänger“ trafen keinen Ton und jedes Lied hatte „Deutschland“ im Refrain. Ein Blick auf sein T-Shirt beim Ausstieg bestätigte meinen Verdacht: Thor Steinar. Und die Musik war wahrscheinlich indiziert.

Willkommen in Brandenburg.