Ich mag Hunde. Hunde sind tolle Tiere, die einem viel geben können. Hunde und Pferde sind für den Menschen auch eine sinnvolle Kombination. Beide Spezies lassen sich in gewisser Weise dressieren und kommandieren. Beim Hund sind es klare Befehle, die ihm sagen sollen, was er zu tun und zu lassen hat und die unterstreichen, wer der Chef im Rudel ist. Beim Pferd ist es grundsätzlich nichts anderes, nur dass man hier eher von Hilfen und Training die Rede ist, was angesichts dessen, das Pferde Fluchttiere sind und ihre natürliche Körpersprache „ausgenutzt“ wird, auch passender ist.
Betrachtet man die Tatsache, dass Hunde Beutetiere sind und Pferde Fluchttiere, erscheint die Kombination aber weniger sinnvoll und kann durchaus zu Problemen führen, worum es in diesem Blogpost auch gehen soll, verbunden mit der Bitte, über den Tellerrand hinauszuschauen, denn die eigene Situation, dass der Hund mit dem Pferd bestens auskommt, ist in den seltensten Fällen auf andere Hunde oder Pferde übertragbar. Nicht jedes Pferd kennt oder mag Hunde und noch weniger Hunde kennen Pferde. Was zehnmal gut gegangen ist, kann beim elften Mal in die Hose gehen.
Bisher hatte ich bei allen Live-Hundebegegnungen Glück, das weder Hunden als auch fast allen Besitzern nichts passiert ist. Hier nun ein paar persönliche Erlebnisse:
Der Hütehund mit dem schiefen Gebiss
Hütehunde haben es scheinbar in ihren Genen, dass sie jegliche Herdentiere kontrollieren wollen. Sie neigen dazu, das zu behütende Tier in die Hinterläufe zu zwicken, um es voranzutreiben oder zu umkreisen, um eine Herde beisammen zuhalten. Ein tolles Schauspiel, wenn man das bei einer Schafherde sieht, bei Pferden kann das allerdings arg daneben gehen. Ich kannte bspw. einen Hütehund (Australian Shepherd?), dessen Zahnreihen krum und schief waren. Er hat versucht ein Island-Pony zu treiben wie ein Schaf, die Antwort war ein gezielter Tritt mit den Hinterhufen. Der Trieb in dem Hund war allerdings so groß, dass er nicht davon abzubringen war, weiterhin Pferde zu hüten.
Hat man ein Pferd, dass das kennt und sich damit abfindet, mag das funktionieren, immerhin beißt der Hund ja nicht zu. Fremde Pferde fackeln da aber u.U. nicht lange und schlagen zu.
Hütehund am Hallentor
Nicht ganz so extrem war ein anderer mir bekannter Hütehund. Er legte sich immer am Hallentor auf die Lauer und beobachtete die Geschehnisse. Ab und an wanderte er, wie es Hunde gern klammheimlich tun, in die Halle. Bei Nevado konnte ich beim Longieren immer beobachten, wie er (Nevado) in der Nähe des Hallentors die Ohren anlegte, die Zähne bleckte und Angriffshaltung einnahm.
Der Hund war immer mit einer knappen, aber deutlichen Ansage wieder nach draußen zu verbannen, dennoch ließ sich der Trieb nicht leugnen oder unterdrücken.
Hund in der Reitbahn
Meiner Ansicht nach ist ein Hund in der Reitbahn ein NoGo. Aber wenn einer Reitlehrerin zwei Jagdhunde (Rhodesian Ridgeback) in die Halle nimmt, ist DAS natürlich was anderes. Naja. Ich komme mit Nevado in die Reithalle und weise daraufhin, dass sie die Hunde besser draußen ablegt, zumal Nevado wie beim Hütehund am Hallentor beschrieben, ein gewisses Revierverhalten hat und u.U. einen Hund angreift. Die Reitlehrerin winkt ab, sie nehme die Hunde immer mit rein, der eine sei ja auch schon alt, die kennen das und wenn sie im Weg stehen, einfach umreiten.
Die lieben Hunde blieben natürlich nicht an einem Ort stehen, sondern pendelten immer ein bisschen Hin und Her und es kam, wie es kommen musste: Ich galoppiere auf dem Zirkel und auf einmal sitzt da ein Hund auf der Zirkellinie. Nevado legt die Ohren an und galoppiert knapp am Hund vorbei, die Reitlehrerin ruft ihn ab und legt ihn in einer Ecke ab. Warum dazu erst diese knappe Situation notwendig war, die sowohl für den Hund, als auch für Nevado und mich hätte schmerzhaft ausgehen können, ist mir auch zwei Jahre später noch unklar.
Spaziergang im Wald
Im letzten Jahr hatte ich eine Hundebegegnung der besonderen Art. Ich war mit Nevado im Wald spazieren als mir recht bald mehrere Hundebesitzer mit genauso vielen Hunden entgegen kamen. Es waren allesamt Großhunde und einer von denen mochte scheinbar keine Pferde. Er bellte direkt lautstark und aggresiv drauf los und Nevado war unvermittelt in seiner Rolle als Fluchttier. Da Nevado außerdem ein ausgeprägtes Revierverhalten hat (à la ungehobelter Leithengst), ist er nicht weggerannt, sondern hat auf Verteidigung seiner Herde (in dem fall unfreiwillig Meinereiner) umgeschaltet. Das muss man sich so vorstellen, dass das Pferd seine Hinterhand (= Waffe) auf den Angreifer ausrichtet und Drohgebärden zeigt. Der „angreifende“ Hunde (ich meine es war ein Rottweiler-Verschnitt) verstand diese Signale aber gar nicht und bellte an der Leine der Besitzerin hochsteigend munter weiter. Die Situation drohte zu eskalieren. Ich rief der Frau mehrfach zu, sie solle mit dem Hund weitergehen, was sie aber nicht konnte. Sie könne den Hund nicht mehr lange halten.
50 Kilogramm Hund festhalten ist wahrlich nicht einfach … 480 Kilogramm Pferd aber auch nicht!
Am Ende konnte ich Nevado so weit auf mich konzentrieren, dass ich ihn vom Hund wegbewegen konnte und nichts weiter passiert ist. Dennoch war der Spaziergang gelaufen und wir sind nach Hause.
Begleithund an der Schleppleine
Schon etwas länger her ist eine Begegnung beim Ausritt. Auf einem Weg, der links und rechts von Büschen und Zaun gesäumt war, kam mir einer Reiterin samt Hund entgegen. Sie ritt ohne Sattel und ohne Helm, dafür war der kleine Hund angeleint … an einer Schleppleine. Solche Schleppleinen sind meist recht dünn (5mm ?) und 5-15 Meter lang. Sie werden zu unterschiedlichen Trainingszwecken eingesetzt bspw. um einen Hund auf Distanz das Kommando „Komm!“ beizubringen. Einen Reitbegleithund damit anzuleinen ist vielleicht bequem, aber nicht im Sinne des Erfinders und es kann gefährlich werden.
Nevado war bei dieser Begegnung ziemlich entspannt, neugierig zwar, aber dennoch unbeeindruckt, von dem Trio. Der Hund fand das alles aber so spannend, dass er uns ein paar Meter folgte, was er dank der Schleppleine auch konnte. Sein Frauchen versuchte ihn schließlich wieder bei Fuß zu holen, aber der kleine Racker, war so hin und hergerissen zwischen Nevado und mir und seinem Frauchen, das er einmal um das Pferd seiner Besitzerin lief und dieses in die Schleppleine einwickelte. Das Pferd war glücklicherweise sehr entspannt, blieb stehen und wartete geduldig, dass Frauchen den Hund richtig zum Entwirren dirigierte … was natürlich nicht funktionierte. Sie stieg dann letztlich ab und brachte Ordnung ins Chaos.
Begleithund an der Wireless-Leine
Ähnlich wie der Hund an der Schleppleine begegnete mir neulich eine Reiterin (ohne Sattel, ohne Helm) mit zwei unangeleinten Hunden. Ein Hund trottet hinter der Reiterin her, der andere vorneweg. Wohl weil die Hunde so gemütlich dahertrotteten und in der Mitte ein Pferd war, interessierte Nevado das so ziemlich gar nicht. Es ist auch nichts passiert, dennoch irritieren mich solche Situationen immer, weil ich nicht weiß, wie die Hunde drauf sind, folglich wie mein Pferd darauf reagiert und im weiteren gedachten Verlauf, wie die Hunde reagieren und ggf. abrufbar sind.
So geschehen neulich: Ein anderer Hund, andere Reiter (diesmal mit Sattel und Helm) und unangeleint. Der Hund lief den Weg zum Wasser, den er kannte, und bekam erstmal gar nicht mit, dass seine Reiter anders abgebogen waren. Da ich an dem Tag schon eine andere unschöne Hundebegegnung hatte (dazu gleich mehr), bat ich die Reiter den Hund abzurufen, so dass er uns nicht zu nahe kommen konnte (quasi vorausschauendes Reiten, man muss ja nichts provozieren). Die Reiter hatten Verständnis dafür, aber leider der Hund nicht. Der konnte nämlich überhaupt nicht verstehen, dass er an dem Tag nicht ins Wasser hüpfen durfte und warum er nun zu Frauchen sollte. Selbst als Frauchen zum ihm ritt, um ihn abzuholen, schaute der Hund nachwievor verwirrt drein und reagierte keinen Zentimeter.
Ich ritt dann ein paar Meter weiter, um Nevado nicht übermäßig mit der Situation zu stressen. Der Hund durfte kurz ins Wasser und folgte dann auch seiner Frau und alles war gut.
Hund und Fahrradfahrer
Mein derzeitiges Highlight der Hundebegegnungen ereignete sich mit einem Fahrradfahrer, der seinen Hund (Größenordnung Boxer) mit einer Rollleine am Fahrrad führte. Er holte die Rollleine nach und nach ein, bis der Hund so dicht wie möglich neben ihm lief und so fuhr er an mir vorbei (vorbildlich, ich war begeistert, ehrlich). Der Hund fand uns aber scheinbar so toll, dass er Nevado spontan zum Spielen aufforderte mit dieser typischen Hundegeste, indem er den seinen Vorderkörper bis zum Boden absenkte, mit der Rute wedelte und so breitbeinig und freudestrahlend vor uns lag. Nevado hat das mitnichten als Spielaufforderung aufgefasst, er fühlte sich bedroht. Prompt drehte Nevado seine Hinterhand zum Hund, dieser verstand die Drohung sofort und sprang nach hinten … ins Fahrrad. Der Fahrrad-Fahrer stürzte und der Hund stand mit gebührenden Sicherheitsabstand im Feld. Nevado entspannte sich schnell, da ja auch die Situation aus seiner Sicht entspannt war. Der Fahrrad-Fahrer hat sich zum Glück nichts getan und der Hund scheint auch mit dem Schrecken davon gekommen zu sein.
Gegenseitige Rücksichtnahme
Letztlich haben sich in allen Situationen Pferd wie Hund absolut normal verhalten, denn abseits der Domestizierung betrachtet sind sie Feinde. Man kann den Tieren keinen Vorwurf machen, wenn sie sich ihrer Natur entsprechend verhalten. Der Mensch kann lediglich Vorkehrungen treffen, in dem er als Hundehalter seinen Hund gut trainiert und sicher führen kann, und als Pferdehalter, indem man besonnen reagiert, sein Pferd kennt und ebenso wie beim Hund, dass man sein Pferd führen kann. Dressur im Gelände ist dafür m.E. nicht zu unterschätzen. Einerseits kann man die Aufmerksamkeit des Pferdes durch Lektionen wieder auf sich und vom Feind weg lenken, andererseits kann man die Waffen des Pferdes (vornämlich) die Hinterhand steuern.
Trotz allem muss jedes Tier erst einmal lernen. Aber das Ideal, dass man wie bei einer Reitbegleithunde-Ausbildung Pferd und Hund schrittweise aneinander gewöhnt, ist nicht immer möglich. Es darf auch nie vorausgesetzt werden, dass Hund und Pferd miteinander auskommen. Man darf nicht von sich auf andere schließen („Mein Pferd kann das, wieso deines nicht“) oder von einer Situation auf die nächste („Der tut nichts, der will nur spielen“). Daher sollten sich beide immer mit einer gewissen Vorsicht (nicht zuletzt zum Eigenschutz) begegnen und Rücksicht füreinander aufbringen.
Zu guter Letzt
Alle hier genannten Beispiele sind mir tatsächlich so widerfahren. Ich habe es aber auch schon unzählige Male erlebt, das nichts passiert ist. Ich möchte auch keinesfalls alle Hundehalter über einen Kamm scheren. Unter uns Reitern gibt es leider auch genug schwarze, rücksichtslose Schafe.
Dass Pferd und Hund und insbesondere Pferdehalter und Hundehalter sich im Wald begegnen, sich beiderseits vorbildlich verhalten und nichts passiert, ist zum Glück die Regel.
Wenn aber etwas passiert, dann hilft es nichts, den anderen zu beschimpfen oder sich stundenlang zu ärgern. Vielmehr sollte man versuchen zu reflektieren:
- Was ist eigentlich passiert?
- Was hätte ich anders machen können?
- Wie reagiere ich das nächste mal?
Oder mit anderen Worten: Nach vorne schauen, statt sich über die Vergangenheit aufzuregen.
Ich selbst versuche mich immer so zu benehmen, wie ich es für den Reitpass gelernt habe: Vorbeireiten im Schritt, Abstand, freundliches Grüßen, … Oftmals sind so schon interessante Gespräche im Wald entstanden. Und so macht Ausreiten für alle doch am meisten Spaß.
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