Ein totes Pferd: Fitnesstracker von Jawbone

Ein totes Pferd: Fitnesstracker von Jawbone
Das Jawbone Up3 - schlicht, elegant und voller Funktionen
Das Jawbone Up3 – schlicht, elegant und voller Funktionen

Ein halbes Jahr lang habe ich jetzt den Activity-Tracker Up3 von Jawbone genutzt und eigentlich bin ich auch sehr zufrieden. Eigentlich deshalb, weil ich mich nun doch von dem Armband getrennt habe und einen Kauf auch nicht weiter empfehlen möchte.

Aus diesem Grund möchte ich auch gar nicht viel zu Funktionsumfang, App, Tragegefühl, Optik, … sagen. Das alles kann man in vielen anderen Erfahrungsberichten nachlesen. Ich kann es bestätigen und ob das Armband etwas für einen persönlich ist, hängt ja letztlich auch davon ab, was man davon erwartet.

Eigentlich hatte ich einen Schlafphasenwecker gesucht. Die Suche nach einem Tischgerät war aber sehr ernüchternd, da der Funktionsumfang eines solchen Schlafphasenweckers sehr bescheiden scheint im Vergleich zum Preis von oft über 100 Euro.

Im Rahmen der Recherche bin ich dann auf das Up3 gestoßen, dass neben Schlafanalyse auch einen Schlafphasenwecker hat. Da das Up3 außerdem sehr schlicht daherkommt, jede Menge andere nette Features hat und damals bei ca. 70 Euro lag, hab ich mich kurzerhand dafür entschieden.

Auch im Armband sind Sensoren verbaut, somit ist es nicht austauschbar
Auch im Armband sind Sensoren verbaut, somit ist es nicht austauschbar

Der Schlafphasenwecker hat zwar nur bedingt für mich funktioniert (ich bin trotzdem einfach wieder eingeschlafen), aber in der Summe hab ich das Armband als netten Alltagsbegleiter empfunden und schätzen gelernt. Ich bekam aufeinmal einen Überblick über meine aktiven Zeiten, meine Herzgesundheit und wurde regelmäßig daran erinnert Flüssigkeit zu mir zu nehmen und vom PC aufzustehen.

 

Dass ich das Armband dennoch nicht zum Kauf empfehlen kann, liegt an einem (bekannten) Konstruktionsfehler und dem scheinbaren Rückzug von Jawbone vom Wearable-Markt. Ersteres führt dazu, dass das Armband in regelmäßigen Abständen kaputt geht und unbrauchbar wird. Letzteres führt dazu, dass es Jawbone mit der Garantie und dem Support nicht mehr allzu ernst nimmt und sich sehr viel Unmut gebildet hat.

Der Konstruktionsfehler

Der geöffnete Verschluss
Der geöffnete Verschluss

Das Problem mit dem Armband ist der Schließmechanismus. Er ist zugegeben etwas gewöhnungsbedürftig und teilweise wohl auch unzuverlässig, aber das hat mich nicht abgeschreckt. In meinem Fall ist es vielleicht 3 Mal in 6 Monaten von selbst aufgegangen. Das lag dann aber auch an mechanischen Einflüssen wie Uhr oder im Pullover verhakt. Beim Reiten, Laufen, Hausarbeit, Schlafen, Stricken … hat es immer gehalten. Verloren – wie es manch anderer Nutzer schreibt – habe ich es nie. Ich hab das Band allerdings auch relativ fest angelegt gehabt. Abgelegt habe ich das Band eigentlich nur zum Duschen und zum Aufladen. Da das aber ganz normale Szenarien sind, sollte sich das nicht negativ auf den Schließmechanismus auswirken dürfen.

Jawbone hat dieses Problem auch erkannt und bietet einen Sicherungsclip an, den man über die Webseite kostenlos ordern kann. Ich hab ihn leider nie erhalten, was wohl mit den Support-Problemen – weiter unten beschrieben – zusammenhängt.

Konstruktionsfehler: Verschluss
Konstruktionsfehler: Verschluss

An dieses Problem kann man sich gewöhnen und mit geeigneten Mittelchen sich zur Not selbst behelfen. Der eigentliche und viel gravierendere Konstruktionsfehler am Verschluss ist die Überlastung des Silikonarmbands hinter der Schließe, der schließlich zum irreparablen Bruch und damit der Unbrauchbarkeit des gesamten Bandes führt.

Durch den eingesetzten Mechanismus wird das Band hinter der Schließe stärker gebogen und mehr belastet als das restliche Band. Es besteht eigentlich ein permanenter Zug auf diese eine Stelle, so dass diese irgendwann bricht – so auch mein Band, wie man im Bild sieht.

Ich habe versucht dies mal schematisch darzustellen. Im Bild sieht man die linke und rechte Seite das Silikonbandes, die untere Hälfte der Schließe (grün) und die obere Hälfte (pink), die im Silikon eingegossen ist (pink gestrichelt).

Schema des Konstruktionsproblems
Schema des Konstruktionsproblems

An Stelle (1) und (2) besteht Zug auf das Band, der ggf. durch Bewegung der Hand oder des Armes noch verstärkt wird. Die obere Hälfte der Schließe ist mit der unteren verhakt, so dass diese aneinander gedrückt werden (3). Die unter Hälfte der Schließe wird auf der Seite, die mit dem Band verbunden ist quasi angehoben und drück somit gegen den im Silikon eingegossenen Teil der oberen Schließe (4). Dieser Druck nach oben in Kombination mit dem Zug auf dem Armband an sich (1) bewirkt, das an der Stelle hinter der Schieße das Silikon überdehnt wird bis es schließlich bricht (5).

Liest man Rezessionen bei Amazon und schaut sich dazugehörige Bilder an, wird man feststellen, dass das Band fast immer an genau dieser Stelle bricht oder an der gegenüberliegenden Stelle des Armbands. Immer nah am Verschluss, nie mittendrin oder gar am eigentlichen Körper des Bandes.

Nach dem, was ich so gelesen habe (auch in den Kommentaren!), passiert der Bruch immer zwischen 4-6 Monaten, manchmal auch später. Es ist quasi vorprogrammiert. Viele Nutzer haben geschrieben, dass sie in der Vergangenheit den Support von Jawbone kontaktiert haben, die haben das Band ersetzt und nach weiteren 4-6 Monaten ging der Spaß von vorne los. Hat man das Spiel 3-4 Mal durch kündigte Jawbone die Garantie auf und man musste sich ein neues Band kaufen.
Davon kann man halten was man will. Ich persönlich glaube, dass Jawbone irgendwann genervt war von den vielen Reklamationen und bei einem unverbindlichen Preis von 179 Euro ist es wirtschaftlich betrachtet schon äußerst lästig nicht nur einem sondern zig Kunden mehrfach das Band kostenlos zu ersetzen. Die Garantie aufzukündigen bei einem Produkt mit Konstruktionsfehler ist jedenfalls mehr als grenzwertig. Hier wäre es wohl angebrachter gewesen die Schließe neu zu konzipieren und einen Rückruf zu machen. Aber vermutlich war das Kind da schon zu lange im Brunnen, womit wir zum Support kommen

Jawbone-Support offline

Der Support hat nämlich irgendwann nicht mehr reagiert. Letzte Lebenszeichen gab es im Dezember auf Twitter und im Januar auf Facebook laut The Verge. Die Firma ist nicht geschlossen oder so, man reagiert gar nicht mehr auf die Anfragen der Kunden egal in welchem Bereich. Diejenigen, die sich genervt abgewendet haben und nun die Löschung ihrer Daten in der Jawbone-Cloud beantragt haben, werden genauso ignoriert, wie die Reklamationsanfragen. Gerade bei Garantiefällen ist das kritisch, weil die über den Hersteller abgewickelt werden sollen und nicht über den Händler. Aber was tun, wenn der Hersteller nicht reagiert, obwohl er in der Pflicht ist?

Ich weiß es nicht. Ich hatte den Kundensupport von Amazon kontaktiert. Ich hatte mein Band über den Marketplace aber mit Versand durch Amazon bestellt. In dem Fall ist Amazon für den Kundenservice zuständig. Dort sagte man mir, dass eine Reklamation in dieser Konstellation nicht möglich sei, aber ich kann das Band samt Zubehör zurückschicken und bekomme das Geld erstattet und könne mir ein neues Band bestellen. Dass die Erstattung so reibungslos funktioniert und das 6 Monate nach Kauf, fand ich schon bezeichnend. ich vermute bei Amazon kennt man die Problematik.
Ein neues Band zu kaufen, war tatsächlich erst mal reizvoll, da das Band mittlerweile nur noch 55 Euro kosten sollte. Letztlich habe ich das Band nur zurückgeschickt und mich aufgrund meiner Recherche, die in diesem Blogpost mündet, gegen einen Neukauf entschieden.

„Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, dann steig ab!“

Die Hintergründe all dessen sind etwas wage. Einerseits gibt es klare Anzeichen, dass Jawbone sich aus dem Wearable-Geschäft zurückzieht bzw. zurückgezogen hat und sich nun auf Medizinprodukte konzentrieren will. Immerhin hat Jawbone bereits im Mai letzten Jahres die Produktion der Armbänder eingestellt und Restbestände an einen Reseller zum Abverkauf abgegeben. Andererseits dementiert Jawbone einen Rückzug und kündigte sogar neue Produkte an. Das war allerdings 2016 und passiert ist seitdem nichts. Seit Oktober letzten Jahres hab ich auch keine Werbung mehr für Fitnesstracker im TV gesehen. Hätte ich all diese Artikel schon im August letzten Jahres entdeckt, hätte ich mich wohl nicht für Jawbone entschieden, aber damals waren die Bewertungen bei Amazon auch noch überwiegend positiv und davon hab ich mich mit leiten lassen.

Summa summarum: Auch wenn der Puls scheinbar zu spüren ist, alle Anzeichen sprechen dafür, dass das Pferd „Up by Jawbone“ tot ist. Den langen Ritt auf einem toten Pferd erspare ich mir.

Alternativen zum Up3

Jetzt hab ich natürlich hin und her überlegt, mir einen Fitnesstracker eines anderen Herstellers zu kaufen. Fitbit hat Jawbone ja mittlerweile den Rang abgelaufen und bietet auch ein zierliches, unaufdringliches Modell (Fitbit Flex 2) an. Vom Funktionsumfang finde ich das Vivosmart HR von Garmin recht charmant. Am liebsten wäre mir eine Kombination aus beiden, denn das Garmin ist mir deutlich zu groß (ich möchte auch parallel eine normale Uhr tragen können) und dem Fitbit fehlt die Pulsmessung, wie es das Up3 hatte. Die eierlegende Wollmilchsau war für mich tatsächlich das Up3, eine akzeptable Alternative habe ich bisher nicht gefunden.

Andererseits lebe ich seit 4 Wochen ohne Wearable. Mein Leben geht trotzdem weiter. Ich geh schlafen, mache Sport, esse, … Es steht also die Frage im Raum, ob ich überhaupt ein Wearable brauche. Die Antwort: Brauchen tu ich es nicht, aber eins haben wäre schon nett 😉

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