Was der Stallmeister noch wusste …
Ich hatte zu dem Thema bereits eine Notiz bei Facebook in der Fachgruppe für klassische Reitkunst hinterlassen. Da es aber kein spezielles Thema der klassischen Reitkunst ist sondern letztlich alle Pferdehalter betreffen kann, möchte ich es hier im Blog nochmal ausführlicher darstellen. Der Blog-Artikel kann dann auch problemlos geteilt werden, was bei Beiträgen in geschlossenen Facebook-Gruppen ja nicht ohne Weiteres möglich ist.
Was ist passiert?
Ich kam eines Tages in den Stall und musste feststellen, dass Nevado beidseitig dick geschwollene Ohrspeicheldrüsen hatte. Das ist ein Phänomen, dass man von Rollkur-gerittenen Pferden kennt, die so eng beigezäumt werden, dass durch die Quetschung in der Ganaschen-Partie übermässig Speichel produziert wird, der nicht abfließen kann. Man sieht dann sehr deutlich die Ohrspeicheldrüse hervortreten.
Genau das habe ich nun bei Nevado entdeckt und war zunächst irritiert, denn erstens wird er alles andere als in enger Rollkur-Haltung geritten und zweitens kam er frisch von der Wiese. Mein Verdacht ging zunächst in Richtung Insektenstich, was ich aber recht schnell verworfen habe, denn die Schwellung war beidseitig mehr oder minder gleichmäßig.
Ich habe dann, bevor ich zum Telefonhörer gegriffen habe, den Stallbetreiber konsultiert und der kannte das Phänomen: Aufgrund des kurzen Gras kauen die Pferde quasi leer. Sie bewegen die Kiefer und kauen, bekommen aber nichts oder kaum etwas zwischen die Zähne, weil das Gras zu kurz ist.
Durch die Kaubewegung werden die Speicheldrüsen angeregt Speichel zu produzieren. Da die Pferde aber letztlich nichts fressen, kann kein Speichel abfließen, der abgeschluckt werden kann. Das Sekret staut sich an und die Ohrspeicheldrüsen schwellen an.
Was tun, wenn das Pferd dicke Ohrspeicheldrüsen hat?
Definitiv nicht Abwarten und nichts tun. Der Speichel muss abfließen. Entweder das Pferd kriegt was zu fressen oder es wird bewegt. Sowohl beim Fressen als auch beim Bewegen speicheln Pferde ein und der Speichel kann abgeschluckt werden.
Bei der Fütterung würde ich persönlich auf Futter setzen, dass lange beschäftigt und viel Speichel benötigt. Es bringt aus meiner Sicht wenig, wenn man dem Pferd eine kleine Portion Hafer anbietet, die nach 5 Minuten weg ist. Bis das ganze angestaute Sekret abgelaufen ist, kann es eine Weile dauern.
Wenn man sich für Bewegung entscheidet, sollte man unbedingt darauf achten, das Pferd nicht zu stark beizuzäumen. Das würde (wie bei der Rollkur) die Ohrspeicheldrüse quetschen und Schmerzen und ggf. Schaden verursachen. Es spricht nichts dagegen, das Pferd ohne viel Anspruch an Formgebung und Haltung locker zu bewegen. Wichtig ist, dass es sich wohlfühlt und entspannt abkaut. Dann fließt auch der Speichel an.
Der Vorteil dieser Lösung ist m.E. dass man zusätzlich den Kreislauf ankurbelt, was wiederum den Stoffwechsel anregt und zusätzlich unterstützt.
Es gibt wohl auch schulmedizinische und homöopathische Mittel, die hier helfen können. Das sollte man aber mit dem Tierarzt oder Heilpraktiker abwägen.
Hinweis am Rande
Letztlich muss man aber das eigene Pferd einschätzen und abwägen, welcher Ansatz am sinnvollsten ist.
Nach kurzer Zeit (ca. 30 Minuten) sollte bereits eine Verbesserung sichtbar sein. Sollten die Schwellung aber partout nicht weggehen oder auch andere Bereiche betroffen sein, sollte man unbedingt den Tierarzt rufen. Guckt euch euer Pferd an und versucht abzuschätzen, ob das wirklich eine Reaktion auf zu kurzes Gras ist oder nicht evtl doch ein Insektenstich.
Was kann man präventiv tun?
Es muss ja erst gar nicht so weit kommen. Das Problem liegt, wie gesagt, im kurzen Gras und tritt normalerweise auch eher im Frühjahr auf, wenn das Gras noch nicht angefangen hat zu wachsen. Aufgrund des extremen Hochsommers dieses Jahr erholen sich viele Wiesen kaum. Sie werden abgefressen und es wächst nichts nach.
Wenn möglich, dann sollte man die Pferde auf eine noch unbenutzte Wiese umstellen. Auch wenn da evtl nur verdorrtes Gras steht, es ist mehr als auf einer abgefressenen Wiese.
Alternativ kann man Heu auf der Wiese beifüttern. Hier muss man aber Vorsicht walten lassen, da es aufgrund von Futterneid zu Rangeleien kommen kann. Schwere Trittverletzungen können die Folge sein. Nicht jeder Stallbetreiber erlaubt daher die Zufütterung von Heu auf der Wiese.
Ebenfalls möglich ist, die Weidezeit zu verkürzen und die Pferde eher in den Stall zu bringen, wo sie dann Heu bekommen. In den letzten Wochen konnte ich eh beobachten, dass die Pferde sich auf den kahlen Wiesen langweilen und dankbar sind, wenn man sie eher reinholt.
Leider ist die Weidesituation dieses Jahr nicht optimal und man muss abwägen, welche Weg am gangbarsten ist.
Vergleich zum Normalzustand
Hier noch ein Vergleichsbild, wie Nevados Ganaschenfreiheit normalerweise aussieht.
Die Ganasche und Atlasflügel zeichnen sich klar und trocken ab. Die Ganaschenfreiheit (der Bereich zwischen Ganasche und Atlas) ist bei Nevado eine ca. 4 Finger breite deutliche Kuhle, die durch die angeschwollenen Drüsen komplett ausgefüllt war.
Da er von Natur aus so viel Ganschenfreiheit hat, fällt es mir persönlich leicht ihn trotz der Schwellungen locker zu reiten oder zu longieren. Bei einem Pferd mit wenig Ganaschenfreiheit ist das u.U. nicht möglich.


Intensives ScheuernWie oben schon erwähnt, ist das am besten wahrnehmbarste Sympton das intensive Scheuern, das teilweise zu offenen, blutigen Stellen führt. Stark betroffen sind Schopf, Mähne, Schweifrübe und Bauchnaht, da hier die Kriebelmücken leichter bis auf die Haut dringen können. Dementsprechend sichtbar wird das Ekzem, wenn das Langhaar vom Scheuern verknotet und abgebrochen ist. Die Hautpartien sind zudem angeschwollen und berührungsempfindlich. Nevado scheuert sich zum Glück selten blutig, dafür hat er bereits zum zweiten Mal eine Stehmähne.
Gut geschützt im Zebra-LookAnsonsten verfolge ich eine Vermeidungsstrategie; und zwar versuche ich von Anfang an, Nevado keinen Stichen auszusetzen. Er trägt in dem Sommermonaten (ca. von April bis Ende September) einer Fliegendecke mit Halsteil und sollte nicht zu lange auf die Wiese – am besten nur von 10 Uhr bis 16 Uhr, da davor und danach die Kriebelmücken am aktivsten sind. Letzteres ist allerdings organisatorisch nicht immer machbar, insbesondere da Nevado nur ungern allein im Stall steht, wenn alle anderen draußen sind. Diese Einschränkung vernachlässige ich daher mittlerweile zugunsten einer guten Decke und regelmäßigen einölen. Momentan hab ich eine Fliegendecke im Zebra-Look von Bucas in Nutzung. Die Decke bietet eine gewohnt gute Qualität, ob die Zebrastreifen allerdings etwas bringen mag ich nicht beurteilen. Schaden tun sie zumindest nicht. Nevado wird dafür von jederman aus der Ferne erkannt und viele Pferde beäugen das Zebra erstmal sehr skeptisch.
Die Schweifrübe ist schon stark abgescheuertDas Mittel meiner Wahl zur lokalen Behandlung ist dabei Derfen. Dabei handelt es sich um eine Art Öl aus komplett natürlichen Inhaltsstoffen (quasi Bio). Derfen stinkt furchtbar und färbt die Haut – und alles andere eigentlich auch – dunkelbraun. Ich trage daher immer einen Einmalhandschuh zum Auftragen auf Schopf, Mähne und Schweifrübe. Der intensive Geruch nach verbrannten Holz (wie ein Räucherofen) soll die Insekten fernhalten, gleichzeitig soll es den Juckreiz lindern. Aufgrund der öligen Konsistenz bleibt es lange im Fell ohne wegzulaufen, zu verdunsten oder ausgewaschen zu werden. Ich hab damit bisher gute Erfahrungen gemacht.