Das große Stricken 2015 war anders als die Stricken zuvor und ich befürchte innocent hat sich ziemlich verrechnet damit.2015 hieß es nicht „Einsendeschluss 01.12.2015“ sondern „Wir stricken bis die Million voll ist“. In den Jahren zuvor sind pünktlich zur Weihnachtszeit von Jahr zu Jahr mehr Mützen zusammen gekommen – zuletzt waren es 2014 über 600’000 Stück. Der logische Schritt war dann wohl auf die Million zu schielen und um das zu erreichen gab es keinen Einsendeschluss sondern, man solle stricken, bis die Million geschafft ist.
Was ist passiert? Sie wurde zum 01.12.2015 natürlich nicht voll und man strickte in 2016 weiter und weiter und weiter … bis innocent dann schließlich ein Einsendeschluss für den 01.12.2016 festgelegt hat. Es hatte (endlich) ein Ende und es kamen 1,3 Millionen Mützchen zusammen.
Klingt gut, aber …
Das Aber dürfte dem ein oder anderen aufgefallen sein: Statt in einem Jahr eine Million Mützchen zu schaffen, hat man in zwei Jahren 1,3 Millionen geschafft, was etwa 650’000 pro Jahr entspricht. Es gab also keine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr:
- Pressemitteilung 2014: 2013 kamen über 240’000 Mützchen in Deutschland zusammen (entspricht ca. 48’000 Euro Spende an das DRK)
- Pressemitteilung 2015: 2014 kamen über 260’000 Mützchen in Deutschland zusammen (entspricht ca. 52’000 Euro Spende an das DRK)
- Mütz-O-Meter 2017: in 2015 und 2016 zusammen kamen über 520’000 Mützchen (= 260’000 pro Jahr) in Deutschland zusammen
Die Mützchen aus Deutschland machen ca. 39% aller Mützchen aus, Österreich ca. 33% und Schweiz ca. 28% (schwankt natürlich von Jahr zu Jahr). Die Spendengelder verteilen sich entsprechend. Vergleicht man die Gesamtzahlen DACH miteinander ist sogar zu erkennen, dass mit der Millionen-Aktion im Schnitt weniger Mützchen gestrickt wurden als in den Vorjahren (für 2014 ist leider keine Gesamtzahl genannt in der Pressemitteilung).
Die Spende an das DRK in Deutschland und vergleichbaren Organisationen in Österreich und der Schweiz hat sich somit nicht wirklich erhöht. Aus der Webseite von innocent geht auch leider nicht hervor, ob 2015 etwas gespendet wurde (quasi als Zwischenstand) oder ob der Betrag komplett erst 2016 gespendet wurde. In letzteren Fall wäre dies sicher ein Nachteil für die Empfänger und somit die Menschen, denen geholfen werden soll.
Wie kam es dazu?
Ich versuche nun aus meiner Perspektive zu interpretieren, was passiert ist. Als der Aufruf für 2015 kam, gab es wie gesagt kein definierten Einsendeschluss. Bei mir war es so, dass ich immer mal zwischendurch was gestrickt habe, aber ohne Termindruck (am Tag X muss das Paket in der Post sein), habe ich ohne viel Tempo gestrickt, so dass der Durchsatz eher mittelmäßig war. Vermutlich ging es einigen so, denn zum gewohnten Abgabetermin 2015 waren noch nicht mal annähernd genug Mützchen gestrickt. Das Mütz-O-Meter auf der Webseite von innocent bewegte sich auch nur sehr langsam, so dass auch niemand eine Orientierung hatte, wo wir stehen. Das bemerkte man auch immer wieder bei entsprechenden Posts in den sozialen Netzwerken. In der einschlägigen Facebook-Gruppe stieg auch der Unmut.
Im Herbst 2016 waren dann schließlich ca. 750’000 Mützchen zusammengekommen laut innocent und man setzte endlich einen Termin: der 01.12.2016. Es passierte, was zu erwarten war: Das Mütz-O-Meter schoss letztlich in die Höhe und man war bei 1,3 Millionen angekommen. Vermutlich haben nun die Stricker die Nadeln glühen lassen und Pakete, die schon lange fertig waren, endlich in die Post gegeben. So hab ich es zumindest gemacht.
Seit 01.Februar 2017 sind die bemützten innocent-Flaschen übrigens im Kühlregal zu finden.
Juchu … wir sind Mützionär
Der Wermutstropfen kommt nun: In den letzten Wochen sind bei den Strickern Briefe von innocent eingetrudelt. Man bedankt sich für die rege Beteiligung und wie toll es ist, das geschafft zu haben. Ja wir haben es geschafft, aber eigentlich doch nicht. Denn wie oben schon gesagt: im Schnitt haben wir genauso viel geschafft, wie in den Jahren zuvor. Keine Steigerung.
Aber weil das alles so anstrengend war (für Stricker wie für die Zähler bei innocent) „gönnt“ man sich nun eine Pause und macht 2017 kein großes Stricken.
Das finde ich sehr schade. innocent hat sich mit seiner Aktion schlicht verkalkuliert und sich den Unmut der Stricker zugezogen und die Leid tragenden sind die alten Leute, für die diese Aktion am Ende eigentlich gedacht ist/war. Bleibt zu hoffen, dass innocent unabhängig vom großen Stricken an DRK und Co. spendet … es sollten etwa 130’000 Euro sein, wenn man die Durchschnittswerte der vergangenen Jahre als Maßstab nimmt.
Postfaktisches Post Scriptum
In der Pressemitteilung von innocent liest sich das natürlich alles ganz toll:
(…) Und tatsächlich beteiligten sich unzählige Stricker sich und sind nun, gemeinsam mit innocent, Mützionär mit 1.360.709 Mützchen in der gesamten DACH-Region (…).
Ein gutes Beispiel für „postfaktisch„, denn das Faktum, dass wir über 2 Jahre statt einem gestrickt haben, bleibt unerwähnt. Aber hier gilt wohl die alte Weisheit: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
Post Scriptum
Im Brief von innocent war ein gestickter Aufnäher enthalten, den man sich wie ein Trophäe ans Revers heften kann. Problem: Auf dem Aufnäher steht die falsche Anzahl an Mützchen. Ein Zahlendreher der einen Unterschied von 55’000 Mützchen ausmacht. So ein großes Projekt und so wenig Sorgfalt beim Datencheck.