Protokoll einer M-Dressur

Ich hatte jüngst wieder die Gelegenheit bei einem Dressur-Turnier, Protokoll zu schreiben und somit hautnah bei den Richtern zu sitzen. Diesmal war es eine M*-Prüfung auf Kandare im kleinen Viereck. Es mussten unter anderem Trabtraversalen, Schulterherein und fliegende Galoppwechsel gezeigt werden.

Leider häufig zu sehen: zu eng!
Leider häufig zu sehen: zu eng!

„Zu eng … Genick oben halten“

Auf dem Abreiteplatz waren im Vorfeld kaum unschöne Szenen zu sehen, dennoch zeigte sich fast durchweg, dass die Pferde zu eng geritten wurden. Das zeigte sich auch in der Prüfung. Einer der häufigsten Kommentare in den Protokollen, die ich geschrieben habe, war „zu eng“ und „mehr offenes Genick“. Ich fand es sehr positiv, dass auch Nuancen schon in die Protokolle Einzug gehalten haben. Ein Pferd wurde beispielsweise durchweg zu eng geritten. Der Richter meinte, dass dies ein wunderschönes Pferd sei, mit schönen Gängen, aber nicht so präsentiert, wie er sich das für das Pferd erhoffen würde. Ich meinte zaghaft, dass man so etwas ja vom großen Sport vorgelebt bekäme, worauf der Richter sagte: „Ist mir egal. Das ist zu eng.“ Das Paar bekam dann auch entsprechende Abzüge in der Rittigkeit und auch dort explizit mit Verweis auf den Punkt Anlehnung „zu eng“.

Einige Pferde bzw. deren Ausbildung wurde deutlich durch den starken Schritt entlarvt, wo leider die meisten Pferde mit der Nase eingerollt hinter der Senktrechten blieben und wenig Raumgriff entwickelten.

Selbstüberschätzung

Insgesamt boten sich leider nur wenige reiterliche Lichtblicke. Oftmals hatte ich den Eindruck, dass die Grundlagen nicht sauber erarbeitet wurden. Ich kann natürlich leicht von der Bande urteilen, wo ich selbst weit davon entfernt bin, eine solche Prüfung auch nur ansatzweise reiten zu können. Aber genau aufgrund dieser Selbsteinschätzung und das Wissen über meinen und meines Pferdes Charakter käme ich erst gar nicht auf die Idee, zu einem Turnier melden.
Diesen Gedanke hätte ich auch einigen Reitern gerne eingepflanzt. Eine Reiterin hatte einen deutlich verkrampften Sitz, zog Knie und folglich Ferse nach oben und musste streckenweise mit deutlichem Fersen- und Schenkelklopfen treiben (Sporen hatte sie zum Glück nicht dran). Wenn den Reiter schon der eigene Ehrgeiz packt, sollte doch wenigstens der Trainer Einhalt gebieten und von einer Meldung abraten – sollte man meinen. Kommentar des Richters dazu: „Das ist heutzutage nicht mehr so.“

Ausrüstungsmängel

Negativ ist mir zudem die Ausrüstung aufgefallen. Falsch liegende Sättel oftmals noch mit zig Decken unterpolstert, wo man sich zwangsläufig fragt, warum ein passender Sattel so viele Decken benötigt bzw. warum er nicht angepasst wird, wenn er nicht passt. Zudem sah man häufig falsch verschnallte Kandaren (strotzend oder durchfallend), aber das läuft nicht in die Wertung ein, da man der Klasse davon ausgeht, dass die Reiter mit ihrer Ausrüstung umzugehen wissen.

Erfreulicherweise sah man kaum Bling-Bling und viele Reitkappen!

Es liegt nicht an den Richtern …

… zumindest nicht an der Basis, wie so oft kritisiert wird. Ich habe das Gefühl, dass eher falsch verstandener Ehrgeiz und blindes Nacheifern des Nachwuchses ist. Andernfalls würde manch eine/r sich nicht getrauen, auf ein Turnier zu gehen und sich der Öffentlichkeit präsentieren. Aber auch die Trainer spielen eine Rolle, denn sie hätten die Möglichkeit einerseits korrekt und schonend (und oftmals zeitintensiv) auszubilden und andererseits ihre Zöglinge vor solchen Schnellschüssen zu bewahren. Dagegen spricht dann wohl der Ehrgeiz, so dass manch Trainer um seine Existenz bangen muss, wenn am Ende der Saison nicht genug Schleifen gesammelt sind.

Ein Teufelskreis. Und die Richter schütteln amtsmüde (?) mit dem Kopf.

 

Protokoll einer L-Dressur auf Kandare

L-Dressur auf 20 x 60m
L-Dressur auf 20 x 60m

Ich hatte neulich die Gelegenheit bei einer Dressurprüfung der Klasse L zu protokollieren. Es handelte sich um eine L**-Prüfung auf Kandare und konkret um die L10 der aktuellen Leistungsprüfungsordnung von 2012 auf einem 60er Viereck. Die L-Prüfung selbst ist sehr anspruchsvoll und durchaus zum Übergang zur Klasse M zu sehen. Es werden u.a. Schulterherein, Trabtraversalen, Übergänge vom Mittel- zum starken Schritt verlangt aber auch eine anspruchsvolle Galopptour. Es waren dabei Schlangenlinien auf der Mittellinie in 4 Bögen zu reiten, wobei der erste und vierte Bogen Handgalopp war, der zweite und dritte Bogen Außengalopp und über X musste von einem Außen- in den anderen Außengalopp einfach gewecheselt werden.

Nun bin ich ja kein Turnierreiter und war schon seit Langem auf keinem Turnier mehr. Protokolliert habe ich auf einem Turnier noch nie, aber das sollte der Sache keinen Abriss tun. Meine Erwartungen waren durchwachsen. Oft hört man ja, dass ein Problem der Reiterei bei den Richtern und den regionalen Turnieren läge. Es würde nach Nasenfaktor gerichtet, der oftmals mit Geld zu tun hat und der Rollkur könne hier Einhalt geboten werden, denn immerhin ist das die Basis … Viel Vorurteil also.

Dementsprechend habe ich mich zu Beginn der ersten Abteilung bei C sitzend eher zurückgehalten und erstmal fleißig geschrieben. Zu schreiben gab es viel, da die erste Abteilung aus den eher schwächeren Reiter-Pferd-Paaren bestand und hier sehr häufig die Note 0-5 vergeben wurde, die im Protokoll begründet werden muss. Im Schulterherein war sehr häufig zu viel Abstellung zu sehen, die Verstärkungen und Übergänge innerhalb der Gangarten waren vielfach nicht deutlich genug bzw. gar nicht zu sehen. Leider verritten sich auch einige Reiter. Einige Pferde hatten leider auch keine Nerven, was zu sehr spanningen Bewegungen und tw. groben Ungehorsam führte. Was auch sehr häufig zu sehen war und etwas verwunderlich war, ist, dass die Pferde nicht gerade auf der Mittellinie oder den langen Seiten ging. Sie waren in sich schief und schlecht eingerahmt.
Ich kann nicht sagen, ob die Noten gerechtfertigt waren, da ich dazu schlicht zu wenig Vergleiche habe, die Begründungen allerdings fand ich durchweg passend. Sicher sind sie sehr knapp und wiederholen sich, was einfach an der schnellen Abfolge der Lektionen liegt. Der Richter diktiert nunmal keinen Roman sondern in knappen Worten, was er sieht und die Note: „undeutlich, nicht gerade, zu viel Abstellung, LB & St verbessern (Längsbiegung und Stellung), Kurzkehrt gedreht …“

Bei der zweiten Abteilung, bei der ich mit der Richterin bei H saß, waren fortgeschrittenere Reiter zu sehen, was sich in den Noten und der Menge der Kommentare niederschlägt. Aber auch wenn die Noten in dieser Abteilung selten unter 5 gingen, gab es noch einiges zu schreiben: undeutliche Übergänge, zu großes Kurzkehrt, einfacher Wechsel über zu wenig Schritt. Der Notenschnitt war insgesamt besser, wie zu erwarten, aber auch nicht überragend. Insgesamt ging keine Wertung über 8.

Was mich positiv überraschte, war, dass auch oft zu enge Hälse als Bemekung ins Protokoll ging, genauso wie offene Mäuler und spanninge Tritte. Die Richterin wünschte sich mehr über den Rücken gerittene Lektionen. Auch die Outfits der Reiter wurden – außerhalb des Protokoll natürlich – kommentiert: ein Herr in Lacksteifeln, Strass wohin man nur schaut … Nix davon beeindruckte die Richter, genauso wenig, wie vergangene Leistungen, denn man kennt sich selbstverständlich in der Region und tw. darüber hinaus.

Das gesamte Feld von ca. 50 Pferd-Reiter-Paaren war sehr durchwachsen und mit Blick auf die schwere Aufgabe nicht sehr leistungsstark. Bei vielen Paaren fragte man sich, wie sie auf die Idee gekommen sind, an den Start zu gehen. Teilweise war auch für mich, als Turnier-Laien sichtbar, dass der Leistungsstand noch nicht da war. Als Erfahrungsritt kann man das eigentlich auch nicht bezeichnen, da dafür eine einfache L-Dressur oder gar nur eine A-Dressur ausreicht um Turnier-Luft zu schnuppern. Auch dürfte die ein oder andere Leistung ein negatives Bild auf die zugehörigen Trainer werfen?!

Liegt es möglicherweise an Selbstüberschätzung oder zu viel Ehrgeiz?

Eine Richterin erzählte mir von einem interessanten Erlebnis: Sie kritisierte vor der Prüfung ein Reiter-Pferd-Paar, dass Nasenriemen und Sperrriemen zu eng verschnallt seien. Das Pferd atmete wohl deutlich hörbar sehr schwer. Der Vater oder Trainer (oder beides) der Reiterin kritisierte daraufhin die Richterin, was sie sich da einmische. Die Leistung des Paares war dann wohl auch relativ schlecht, da das Pferd schon so ausgelaugt war, dass es nur durchs Viereck schlurfte. Das Reiter-Pferd-Paar war fortan auf keinem Turnier mehr in der Saison gesehen.
Tatsächlich ist die Ausrüstung kein Bestandteil der Prüfung. Durchfallende Kandaren, wie man sie beispielsweise zu Hauf gesehen hat, oder ein zu weit vorn liegender Sattel flossen somit nicht in die Wertung ein, abgesehen von den Folgen wie zum Beispiel zu wenig Schulterfreiheit.

Doch leider wurden nur ein Teil der Protokolle durch die Reiter abgeholt, dabei soll das Protokoll doch auf Fehler und Richtiges hinweisen, damit der Reiter weiß, woran er arbeiten muss. Man fragt sich zwangsläufig, warum einige Reiter kein Interesse in dieses Feedback haben und warum manch Reiter sogar ungehalten werden über, das was da zu lesen ist? Der Sinn einer Prüfung ist ja nicht Geld auszugeben und seine neue Strass-Schabracke rumzuzeigen, sondern sich einem Urteil zu unterziehen, um sich letztlich weiterzuentwickeln. Wer sich dem Turnier-Trubel aussetzt, sollte m.E. auch kritikfähig sein.