Gelesen: Limit von Frank Schätzing

Quelle: KiWi-Verlag
Quelle: KiWi-Verlag

Also eigentlich wusste ich ja, worauf ich mich einlasse, wenn ich zu Frank Schätzing im Regal greife: Eine hoch komplexe Geschichte aus mehreren, scheinbar unabhängigen Handlungssträngen, eine unheimliche Detaildichte und viel benötigte Leseenergie. Und eigentlich hat Frank Schätzing diese Erwartung voll und ganz erfüllt, in dem er mit Limit einen 1200-Seiten-Wälzer vorlegt.

Wir befinden uns im Jahr 2025: Es gibt Klamotten aus der Sprühdose, senkrechtstartende, fliegende Motorräder und virtuelle Welten, die realer anmuten als die reale Welt selbst. Während der Rest der Welt zusammengewachsen zu sein scheint, haben sich die politschen Grenzen nicht verändert, wenn man von der Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea absieht. Die Weltbevölkerung ist auf 11 Milliarden angewachsen, der Bedarf an Rohstoffen gleichermaßen. Zum Glück hat der visionäre Julian Orley den Durchbruch in Sachen Energieversorgung errungen, so dass die Menschheit nun weg vom Erdöl hin zu Helium-3 als den ultimativen Rohstoff geschwenkt ist. Helium 3 findet man am reichlichsten auf dem Mond und da Julian Orley praktischerweise auch einen Weltraumfahrstuhl erfunden hat, ist es ein leichtes, das begehrte Helium-3 günstig zu fördern und auf die Erde zu bringen. Und da die USA eigentlich der einzige Nutzer des Fahrstuhls sind, als erste auf dem Mond ihre Claims abgesteckt haben und alle anderen Nation auf herkömmliche Weise fördern mussten, kam es 2024 zur Mondkrise, bei der sich hauptsächlich die USA und China in den Haaren lagen. Die Krise war überstanden und da Julian Orley einen zweiten Fahrstuhl bauen möchte, buhlt er nun um die Gunst potentieller Investoren, die er zu einem Trip auf den Mond einlädt.
Zeitgleich hat im fernen Shanghai der Cyber-Detektiv Owen Jericho den Auftrag die junge Dissidentin Yoyo (ja auch sowas gibt es noch im Jahre 2025) zu finden. Was zunächst nach einem einfachen Auftrag anmutet, artet in eine rasante und blutige Jagd durch die Slums von Shanghai aus, denn Yoyo hat zufällig in den Weiten des Internets Fragmente einer hochbrisanten Nachricht abgefangen, die einen professionellen Killer auf den Plan ruft.

Nun haben die beiden Geschichten erstmal 500 Seiten lang nichts miteinander zu tun, aber spätestens bei der Erwähnung der Mondkrise mit China als einem der Hauptakteure, liegt der Verdacht nahe, dass es da irgendeinen Zusammenhang geben muss … gibt es natürlich auch. Die von Yoyo abgefangene Nachricht beschreibt einen Anschlag, der auf dem Mond stattfinden und zwar soll just zu der Zeit, als Julian Orley seine Investment-Tour veranstaltet.

1200 Seiten. Voll mit Details über Reaktoren, Dissidententum, Cyber-Kriminalität, Mond-Staub, menschliche Psychen und Abgründe und und und … So wirklich nimmt das Buch erst ab Seite 400 Fahrt auf, was es mir auch sehr schwer gemacht hat, am Anfang motiviert zu lesen. Leider wurde die Fahrt regelmäßig durch den Wechsel des Schauplatzes gebremst: Die Story um Jericho und Yoyo ist eigentlich konstant spannend und fesslend, während die Story auf dem Mond bis zum Schluss vor sich hinsiecht. Zwar gibt es auch hier spannenden Momente, aber mal ehrlich: 10 Seiten über die Flucht durch lunare Meere bei einem Sechstel Schwerkraft, unendlichen Weiten und begrenztem Sauerstoff? Und dazu ein so banales und schnelles Ende, das der Komplexität der vorangegangenen 1150 Seiten schlicht nicht gerecht wird. Man schlägt das Buch zu und fragt sich: „Und das war es jetzt?“
Ich find die Geschicht wirklich genial, aber von allen Büchern, die ich bisher von Frank Schätzing gelesen habe, ist mir diese am schwersten gefallen und eigentlich wäre ich lieber ausschließlich Jericho und Yoyo gefolgt statt von den Abstechern zum Mond unterbrochen zu werden. Frank Schätzing ist meines Erachtens nach generell eine Art von Lektüre, die man mögen muss, aber Limit macht seinen Namen alle Ehre und weist Grenzen auf: 1200 Seiten sind schlicht eine Spur zu viel.

Ich hoffe, der nächste Schinken von Frank Schätzing ist ein ebenso komplexes und fundiertes Werk, dass aber auf ein wenig Detaildichte verzichtet.