Abenteuer Bahnfahren

(c) Rainer Sturm / pixelio.de

Da fahr ich einmal in 10 Jahren Bahn und ich nehm fast alles mit was einem dabei passieren kann.

Zunächst war ich ja ganz froh, mich für die Bahnfahrt entschieden zu haben. Immerhin war mir ja vor zwei Wochen jemand ins Auto gefahren. Der Schaden ist zwar nicht groß, aber ohne Spurvermessung wollte ich ungern auf knapp 1500-Kilometer-Tour gehen. Außerdem herrscht in Südbrandenburg grad Hochwasser und ich wollt ungern Gefahr laufen auf der gesperrten A13 zu stehen. Also unbewusst in weiser Voraussicht alles richtig gemacht.

Um 12:31 Uhr ging gestern meine S-Bahn zum Münchner Hauptbahnhof, wo ich dann 20 Minuten Zeit hatte meinen ICE zu finden. Das war auch gar kein Problem und dank Kopfbahnhof ist jedes Gleis ja auch gut zu erreichen, weshalb ich aus Kundensicht schon S21 nicht nachvollziehen kann.
Also schnell die zweite Steckdose mit dem Notebook belegt und schon ging sie los die Fahrt. Mir gegenüber saß ein Unternehmensberater und Motivationstrainer – ich hab so jemanden jetzt mal live kennen gelernt und muss sagen: Es waren sehr interessante Gespräche.
Die Fahrt ging zügig und ohne Verzögerung, allerdings hat der ICE irgendwo zwischen Leipzig und Berlin dann doch Zeit verloren: 3 Minuten. Das ist jetzt nicht wirklich viel, wenn man aber bedenkt, dass ich bei planmäßiger Ankunft nur 8 Minuten auf dem Lehrter Hauptbahnhof in Berlin haben sollte, um meinen Anschlusszug zu erwischen, sind 3 Minuten katastrophal.

Es kam dann auch so wie es kommen musste: Der ICE kam auf Gleis 7 im Untergeschoss an und der Regionalzug sollte auf Gleis 12 abfahren – 4 Etagen in 5 Minuten. Ich hab es nicht geschafft, stand dafür aber schon im Intercity aus Köln nach irgendwo. Aber auf die Bahn ist ja Verlass – wenn Verspätung, dann auch konsequent: Der Regionalzug hatte ebenfalls 5 Minuten Verspätung und fuhr auf Gleis 11 ein, kurz nachdem ich wutentbrannt meine Sache in die Ecke gefeurt hatte. Erleichert und außer Atem saß ich also in meinem Regionalzug in Richtung Frankfurt/Oder.

Das nächste Highlight waren die Gestalten im Regionalzug: Mir gegenüber setzte sich ein Mann mit Einkaufstüten. Nichts besonderes. Allerdings zog er dann aus seinem Rucksack einen Kräuterschnaps. Ok – vielleicht hat er ja Sodbrennen oder so. Dem Schnaps folgte eine Flasche Bier und der folgte noch ein Schnaps und noch einer. Ein paar Meter weiter saß noch so ein illustres Gespann: Kaum das der Zug anfuhr, wurden die Bierflaschen gezückt. Die beiden rutschen gefühlte 20 Mail von ihren Sitzen und torgelten genauso oft aufs Klo. Als ich später hinter den beiden lief, schlug mir eine Alkoholwolke entgegen, dass ich beinahe ins Gleisbett gekotzt hätte. Zu dem Zeitpunkt war es gerade mal acht Uhr durch.

Kaum hatten wir den Speckgürtel Berlins hinter uns und es ging hinaus in die brandenburgische Pampa, gab es Stillstand. Zu dem Zeitpunkt hatten wir bereits 20 Minuten Verspätung. Dann die sachlich, freundliche Durchsage (sinngemäß):

„Da es auf dem Gegengleis zu einem Personenunfall gekommen ist, werden wir auf unbestimmt Zeit im Bahnhof Fangschleuse stehen. Wir danken für Ihr Verständnis.“

Na bravo – entweder ein Selbstmöder oder ein Bekloppter, der im Wald die Gleise überqueren wollte – ich vermute ersteres, traue letzeres aber grundsätzlich jedem zu. 10 Minuten später dann die ernüchternde, aber zu erwartende Durchsage (immernoch sachlich, freundlich):

„Verehrte Fahrgäste, leider endet dieser Zug hier. Es wird einen Schienenersatzverkehr geben. Dieser Zug fährt gleich nach Berlin zurück.“

Mit anderen Worten: Die Verunglückte Person hat das Zeitliche gesegnet und die Aufräumarbeiten, Spurensicherung etc. dauern länger.

Also ab in die Kälte und warten. Für die etwa 100 Fahrgäste gab es dann genau einen Bus. Ich gehörte zu den 30-40 Leuten, die nicht mehr reingepasst hatten. Ich hab dann meine Mama angerufen und sie gebeten mich am nächsten größeren Bahnhof abzuholen, wo der Schienenersatzverkehr uns hinbringen sollte. Aber von einem zweiten Bus war weit und breit nichts zu sehen. Nur Blaulicht, das regelmäßig parallel zu den Gleisen im Dunkel verschwand.
Am Bahnhof wartend bin ich dann mit einer jungen Frau ins Gespräch gekommen, die sich von ihrem Bruder abholen lies. Da sie und ihr Bruder quasi dieselbe Strecke nehmen wollten wie der Schienenersatzverkahr, hat sie mir freundlicherweise angeboten, mich mitzunehmen. Fand ich wirklich super freundlich.

Der Bruder der Frau war dann aber schon eine komische Gestalt. Die Musik (von Kasette!) so laut, dass man sich selbst nicht mehr reden hörte und ein Fahrstil jenseits von Gut und Böse, ohne dabei aber eine Kurve rund fahren zu können. Die Musik kam mir auch recht schnell komisch vor: die „Sänger“ trafen keinen Ton und jedes Lied hatte „Deutschland“ im Refrain. Ein Blick auf sein T-Shirt beim Ausstieg bestätigte meinen Verdacht: Thor Steinar. Und die Musik war wahrscheinlich indiziert.

Willkommen in Brandenburg.