Ein totes Pferd: Fitnesstracker von Jawbone

Das Jawbone Up3 - schlicht, elegant und voller Funktionen
Das Jawbone Up3 – schlicht, elegant und voller Funktionen

Ein halbes Jahr lang habe ich jetzt den Activity-Tracker Up3 von Jawbone genutzt und eigentlich bin ich auch sehr zufrieden. Eigentlich deshalb, weil ich mich nun doch von dem Armband getrennt habe und einen Kauf auch nicht weiter empfehlen möchte.

Aus diesem Grund möchte ich auch gar nicht viel zu Funktionsumfang, App, Tragegefühl, Optik, … sagen. Das alles kann man in vielen anderen Erfahrungsberichten nachlesen. Ich kann es bestätigen und ob das Armband etwas für einen persönlich ist, hängt ja letztlich auch davon ab, was man davon erwartet.

Eigentlich hatte ich einen Schlafphasenwecker gesucht. Die Suche nach einem Tischgerät war aber sehr ernüchternd, da der Funktionsumfang eines solchen Schlafphasenweckers sehr bescheiden scheint im Vergleich zum Preis von oft über 100 Euro.

Im Rahmen der Recherche bin ich dann auf das Up3 gestoßen, dass neben Schlafanalyse auch einen Schlafphasenwecker hat. Da das Up3 außerdem sehr schlicht daherkommt, jede Menge andere nette Features hat und damals bei ca. 70 Euro lag, hab ich mich kurzerhand dafür entschieden.

Auch im Armband sind Sensoren verbaut, somit ist es nicht austauschbar
Auch im Armband sind Sensoren verbaut, somit ist es nicht austauschbar

Der Schlafphasenwecker hat zwar nur bedingt für mich funktioniert (ich bin trotzdem einfach wieder eingeschlafen), aber in der Summe hab ich das Armband als netten Alltagsbegleiter empfunden und schätzen gelernt. Ich bekam aufeinmal einen Überblick über meine aktiven Zeiten, meine Herzgesundheit und wurde regelmäßig daran erinnert Flüssigkeit zu mir zu nehmen und vom PC aufzustehen.

 

Dass ich das Armband dennoch nicht zum Kauf empfehlen kann, liegt an einem (bekannten) Konstruktionsfehler und dem scheinbaren Rückzug von Jawbone vom Wearable-Markt. Ersteres führt dazu, dass das Armband in regelmäßigen Abständen kaputt geht und unbrauchbar wird. Letzteres führt dazu, dass es Jawbone mit der Garantie und dem Support nicht mehr allzu ernst nimmt und sich sehr viel Unmut gebildet hat.

Der Konstruktionsfehler

Der geöffnete Verschluss
Der geöffnete Verschluss

Das Problem mit dem Armband ist der Schließmechanismus. Er ist zugegeben etwas gewöhnungsbedürftig und teilweise wohl auch unzuverlässig, aber das hat mich nicht abgeschreckt. In meinem Fall ist es vielleicht 3 Mal in 6 Monaten von selbst aufgegangen. Das lag dann aber auch an mechanischen Einflüssen wie Uhr oder im Pullover verhakt. Beim Reiten, Laufen, Hausarbeit, Schlafen, Stricken … hat es immer gehalten. Verloren – wie es manch anderer Nutzer schreibt – habe ich es nie. Ich hab das Band allerdings auch relativ fest angelegt gehabt. Abgelegt habe ich das Band eigentlich nur zum Duschen und zum Aufladen. Da das aber ganz normale Szenarien sind, sollte sich das nicht negativ auf den Schließmechanismus auswirken dürfen.

Jawbone hat dieses Problem auch erkannt und bietet einen Sicherungsclip an, den man über die Webseite kostenlos ordern kann. Ich hab ihn leider nie erhalten, was wohl mit den Support-Problemen – weiter unten beschrieben – zusammenhängt.

Konstruktionsfehler: Verschluss
Konstruktionsfehler: Verschluss

An dieses Problem kann man sich gewöhnen und mit geeigneten Mittelchen sich zur Not selbst behelfen. Der eigentliche und viel gravierendere Konstruktionsfehler am Verschluss ist die Überlastung des Silikonarmbands hinter der Schließe, der schließlich zum irreparablen Bruch und damit der Unbrauchbarkeit des gesamten Bandes führt.

Durch den eingesetzten Mechanismus wird das Band hinter der Schließe stärker gebogen und mehr belastet als das restliche Band. Es besteht eigentlich ein permanenter Zug auf diese eine Stelle, so dass diese irgendwann bricht – so auch mein Band, wie man im Bild sieht.

Ich habe versucht dies mal schematisch darzustellen. Im Bild sieht man die linke und rechte Seite das Silikonbandes, die untere Hälfte der Schließe (grün) und die obere Hälfte (pink), die im Silikon eingegossen ist (pink gestrichelt).

Schema des Konstruktionsproblems
Schema des Konstruktionsproblems

An Stelle (1) und (2) besteht Zug auf das Band, der ggf. durch Bewegung der Hand oder des Armes noch verstärkt wird. Die obere Hälfte der Schließe ist mit der unteren verhakt, so dass diese aneinander gedrückt werden (3). Die unter Hälfte der Schließe wird auf der Seite, die mit dem Band verbunden ist quasi angehoben und drück somit gegen den im Silikon eingegossenen Teil der oberen Schließe (4). Dieser Druck nach oben in Kombination mit dem Zug auf dem Armband an sich (1) bewirkt, das an der Stelle hinter der Schieße das Silikon überdehnt wird bis es schließlich bricht (5).

Liest man Rezessionen bei Amazon und schaut sich dazugehörige Bilder an, wird man feststellen, dass das Band fast immer an genau dieser Stelle bricht oder an der gegenüberliegenden Stelle des Armbands. Immer nah am Verschluss, nie mittendrin oder gar am eigentlichen Körper des Bandes.

Nach dem, was ich so gelesen habe (auch in den Kommentaren!), passiert der Bruch immer zwischen 4-6 Monaten, manchmal auch später. Es ist quasi vorprogrammiert. Viele Nutzer haben geschrieben, dass sie in der Vergangenheit den Support von Jawbone kontaktiert haben, die haben das Band ersetzt und nach weiteren 4-6 Monaten ging der Spaß von vorne los. Hat man das Spiel 3-4 Mal durch kündigte Jawbone die Garantie auf und man musste sich ein neues Band kaufen.
Davon kann man halten was man will. Ich persönlich glaube, dass Jawbone irgendwann genervt war von den vielen Reklamationen und bei einem unverbindlichen Preis von 179 Euro ist es wirtschaftlich betrachtet schon äußerst lästig nicht nur einem sondern zig Kunden mehrfach das Band kostenlos zu ersetzen. Die Garantie aufzukündigen bei einem Produkt mit Konstruktionsfehler ist jedenfalls mehr als grenzwertig. Hier wäre es wohl angebrachter gewesen die Schließe neu zu konzipieren und einen Rückruf zu machen. Aber vermutlich war das Kind da schon zu lange im Brunnen, womit wir zum Support kommen

Jawbone-Support offline

Der Support hat nämlich irgendwann nicht mehr reagiert. Letzte Lebenszeichen gab es im Dezember auf Twitter und im Januar auf Facebook laut The Verge. Die Firma ist nicht geschlossen oder so, man reagiert gar nicht mehr auf die Anfragen der Kunden egal in welchem Bereich. Diejenigen, die sich genervt abgewendet haben und nun die Löschung ihrer Daten in der Jawbone-Cloud beantragt haben, werden genauso ignoriert, wie die Reklamationsanfragen. Gerade bei Garantiefällen ist das kritisch, weil die über den Hersteller abgewickelt werden sollen und nicht über den Händler. Aber was tun, wenn der Hersteller nicht reagiert, obwohl er in der Pflicht ist?

Ich weiß es nicht. Ich hatte den Kundensupport von Amazon kontaktiert. Ich hatte mein Band über den Marketplace aber mit Versand durch Amazon bestellt. In dem Fall ist Amazon für den Kundenservice zuständig. Dort sagte man mir, dass eine Reklamation in dieser Konstellation nicht möglich sei, aber ich kann das Band samt Zubehör zurückschicken und bekomme das Geld erstattet und könne mir ein neues Band bestellen. Dass die Erstattung so reibungslos funktioniert und das 6 Monate nach Kauf, fand ich schon bezeichnend. ich vermute bei Amazon kennt man die Problematik.
Ein neues Band zu kaufen, war tatsächlich erst mal reizvoll, da das Band mittlerweile nur noch 55 Euro kosten sollte. Letztlich habe ich das Band nur zurückgeschickt und mich aufgrund meiner Recherche, die in diesem Blogpost mündet, gegen einen Neukauf entschieden.

„Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, dann steig ab!“

Die Hintergründe all dessen sind etwas wage. Einerseits gibt es klare Anzeichen, dass Jawbone sich aus dem Wearable-Geschäft zurückzieht bzw. zurückgezogen hat und sich nun auf Medizinprodukte konzentrieren will. Immerhin hat Jawbone bereits im Mai letzten Jahres die Produktion der Armbänder eingestellt und Restbestände an einen Reseller zum Abverkauf abgegeben. Andererseits dementiert Jawbone einen Rückzug und kündigte sogar neue Produkte an. Das war allerdings 2016 und passiert ist seitdem nichts. Seit Oktober letzten Jahres hab ich auch keine Werbung mehr für Fitnesstracker im TV gesehen. Hätte ich all diese Artikel schon im August letzten Jahres entdeckt, hätte ich mich wohl nicht für Jawbone entschieden, aber damals waren die Bewertungen bei Amazon auch noch überwiegend positiv und davon hab ich mich mit leiten lassen.

Summa summarum: Auch wenn der Puls scheinbar zu spüren ist, alle Anzeichen sprechen dafür, dass das Pferd „Up by Jawbone“ tot ist. Den langen Ritt auf einem toten Pferd erspare ich mir.

Alternativen zum Up3

Jetzt hab ich natürlich hin und her überlegt, mir einen Fitnesstracker eines anderen Herstellers zu kaufen. Fitbit hat Jawbone ja mittlerweile den Rang abgelaufen und bietet auch ein zierliches, unaufdringliches Modell (Fitbit Flex 2) an. Vom Funktionsumfang finde ich das Vivosmart HR von Garmin recht charmant. Am liebsten wäre mir eine Kombination aus beiden, denn das Garmin ist mir deutlich zu groß (ich möchte auch parallel eine normale Uhr tragen können) und dem Fitbit fehlt die Pulsmessung, wie es das Up3 hatte. Die eierlegende Wollmilchsau war für mich tatsächlich das Up3, eine akzeptable Alternative habe ich bisher nicht gefunden.

Andererseits lebe ich seit 4 Wochen ohne Wearable. Mein Leben geht trotzdem weiter. Ich geh schlafen, mache Sport, esse, … Es steht also die Frage im Raum, ob ich überhaupt ein Wearable brauche. Die Antwort: Brauchen tu ich es nicht, aber eins haben wäre schon nett 😉

Ich hab Puls – Hallentraining mit Pulsmessung

Nachdem ich vergangene Woche über einen Ausritt mit Pulsmessung berichtet habe, hier nun die Auswertung eines normalen Trainings in der Halle. Die Trainingseinheit dauerte einschließlich vorherigem Ablongieren ca. 45 Minuten und enthielt Seitengänge in Schritt und Trab auf geraden und gebogenen Linien sowie Galopp auf dem Zirkel, einzelnen Galoppvolten, Schultervor im Galopp und eine Runde Außengalopp auf dem Zirkel. Nevado war bis auf ein oder zwei kleine Zucker sehr entspannt und arbeitswillig, hat die Hilfen sehr gut angenommen und ein gutes Grundtempo angeboten. Aus meiner Sicht war das ein sehr gutes Training ohne Drücken, Ziehen oder Verrenkungen, was ja schon mal passieren kann, wenn man mal nicht die gleiche Sprache spricht.

Herzfrequenz während eines normalen Trainings
Herzfrequenz während eines normalen Trainings

Wie schon beim Ausritt ist gut zu erkennen, dass die Herzfrequenz einigermaßen proportional zur Geschwindigkeit verläuft. Da ich die erste viertel Stunde longiert habe, fehlt hier die Geschwindigkeit im Diagramm. Mein Puls schwankt hier zwischen 100 und 130, was der HF-Zone 1 (Aufwärmen entspricht). Auch in der darauffolgenden Schrittphase beim Reiten ändert sich das nicht. Erst im späteren Verlauf der Trabarbeit (zwischen Minute 25 und 35) steigt auch der Puls auf ca. 145. Sehr deutlich ist der Anstieg auf maximale 160 Schläge im Galopp (ca. Minute 35 bis 45) zu sehen. Bei der abschließenden Schrittphase zum Trockenreiten sinkt der Puls wieder.

Interpretation

Die Pulskurve – auch mit Blick auf den Ausritt – interpretiere ich für mich so, dass mein Puls der Geschwindigkeit vom Pferd folgt. Das hat meiner Meinung nach aber nur bedingt etwas mit der körperlichen Anstrengung zu tun als viel mehr mit den verschiedenen Bewegungsmustern der Gangarten, denen ich mich anpassen muss. Trab und Galopp erfordern andere Bewegungsabläufe bei mir als Schritt und beanspruchen somit auch andere Muskelgruppen. Auch die Atmung wird dadurch beeinflusst, was sich letztlich auf die Herzfrequenz auswirkt. Vermutlich ist die Atmung im Trab und Galopp sogar regelmäßiger, da die Gangarten den Takt anders auf den menschlichen Körper übertragen als der Schritt (weniger Auf- und Abbewegung des Oberkörpers).

Der Anstieg am Ende der Messung ist der Tatsache geschuldet, dass ich Nevado in der Halle hab wälzen lassen, während ich seinen Sattel schon in die Sattelkammer getragen hab.

Ist Reiten nun Sport?

HF-Zonen bei einem Hallentraining
HF-Zonen bei einem Hallentraining

In meinem ersten Blog-Beitrag zu dem Thema sind auf Facebook Stimmen laut geworden, dass beim Reiten, das Pferd arbeiten soll und nicht der Reiter und dass ein Reiter, der schwitzt, etwas falsch gemacht habe. Grundsätzlich stimme ich dem zu, aber ich denke auch, dass eine gewisse Grundfitness unabdingbar ist.
Die Zusammenfassung der HF-Zonen zeigt, dass ich mich weit von der körperlichen Belastung eines Ausdauerlaufs o.ä. entfernt bewege. Dies liegt aber auch daran, dass ich eine gute Basis im Bereich Ausdauer habe. Ohne diese Grundlage würde die Messung höhere Werte ergeben. Bei einer schlechten körperlichen Konstitutionen sind Extrem-Werte im Maximal-Bereich sicher auch denkbar. Auch wenn der Herzschlag, wie ich es vermute, der Gangart folgt (Ursache – Wirkung) muss der Körper auch in der Lage sein, diese Mehrleistung zu verrichten – wenn die Lunge nicht genug Sauerstoff aufnehmen kann oder das Herz nicht genug Blut mit einem Schlag transportieren kann, um den Energiebedarf zu decken, dann erhöht sich automatisch Atem- und Herzfrequenz.

Je nach Ausbildungsstand von Pferd und Reiter wird sich das Verhältnis, wer mehr körperliche Arbeit leisten, mit Sicherheit immer mehr verschieben, bis der Reiter wirklich nur noch mit minimalen Hilfen und somit geringer körperlicher Anstrengung oben sitzt. Der Weg dorthin ist aber lang. Umso trainierter der eigene Körper ist, desto weniger Energie-Aufwand (was letztlich an Atmung und Herzfrequenz erkennbar wird) wird notwendig sein. Das Gleiche gilt für einen Läufer, eine Ballerina oder Schachspieler …

Protokoll einer M-Dressur

Ich hatte jüngst wieder die Gelegenheit bei einem Dressur-Turnier, Protokoll zu schreiben und somit hautnah bei den Richtern zu sitzen. Diesmal war es eine M*-Prüfung auf Kandare im kleinen Viereck. Es mussten unter anderem Trabtraversalen, Schulterherein und fliegende Galoppwechsel gezeigt werden.

Leider häufig zu sehen: zu eng!
Leider häufig zu sehen: zu eng!

„Zu eng … Genick oben halten“

Auf dem Abreiteplatz waren im Vorfeld kaum unschöne Szenen zu sehen, dennoch zeigte sich fast durchweg, dass die Pferde zu eng geritten wurden. Das zeigte sich auch in der Prüfung. Einer der häufigsten Kommentare in den Protokollen, die ich geschrieben habe, war „zu eng“ und „mehr offenes Genick“. Ich fand es sehr positiv, dass auch Nuancen schon in die Protokolle Einzug gehalten haben. Ein Pferd wurde beispielsweise durchweg zu eng geritten. Der Richter meinte, dass dies ein wunderschönes Pferd sei, mit schönen Gängen, aber nicht so präsentiert, wie er sich das für das Pferd erhoffen würde. Ich meinte zaghaft, dass man so etwas ja vom großen Sport vorgelebt bekäme, worauf der Richter sagte: „Ist mir egal. Das ist zu eng.“ Das Paar bekam dann auch entsprechende Abzüge in der Rittigkeit und auch dort explizit mit Verweis auf den Punkt Anlehnung „zu eng“.

Einige Pferde bzw. deren Ausbildung wurde deutlich durch den starken Schritt entlarvt, wo leider die meisten Pferde mit der Nase eingerollt hinter der Senktrechten blieben und wenig Raumgriff entwickelten.

Selbstüberschätzung

Insgesamt boten sich leider nur wenige reiterliche Lichtblicke. Oftmals hatte ich den Eindruck, dass die Grundlagen nicht sauber erarbeitet wurden. Ich kann natürlich leicht von der Bande urteilen, wo ich selbst weit davon entfernt bin, eine solche Prüfung auch nur ansatzweise reiten zu können. Aber genau aufgrund dieser Selbsteinschätzung und das Wissen über meinen und meines Pferdes Charakter käme ich erst gar nicht auf die Idee, zu einem Turnier melden.
Diesen Gedanke hätte ich auch einigen Reitern gerne eingepflanzt. Eine Reiterin hatte einen deutlich verkrampften Sitz, zog Knie und folglich Ferse nach oben und musste streckenweise mit deutlichem Fersen- und Schenkelklopfen treiben (Sporen hatte sie zum Glück nicht dran). Wenn den Reiter schon der eigene Ehrgeiz packt, sollte doch wenigstens der Trainer Einhalt gebieten und von einer Meldung abraten – sollte man meinen. Kommentar des Richters dazu: „Das ist heutzutage nicht mehr so.“

Ausrüstungsmängel

Negativ ist mir zudem die Ausrüstung aufgefallen. Falsch liegende Sättel oftmals noch mit zig Decken unterpolstert, wo man sich zwangsläufig fragt, warum ein passender Sattel so viele Decken benötigt bzw. warum er nicht angepasst wird, wenn er nicht passt. Zudem sah man häufig falsch verschnallte Kandaren (strotzend oder durchfallend), aber das läuft nicht in die Wertung ein, da man der Klasse davon ausgeht, dass die Reiter mit ihrer Ausrüstung umzugehen wissen.

Erfreulicherweise sah man kaum Bling-Bling und viele Reitkappen!

Es liegt nicht an den Richtern …

… zumindest nicht an der Basis, wie so oft kritisiert wird. Ich habe das Gefühl, dass eher falsch verstandener Ehrgeiz und blindes Nacheifern des Nachwuchses ist. Andernfalls würde manch eine/r sich nicht getrauen, auf ein Turnier zu gehen und sich der Öffentlichkeit präsentieren. Aber auch die Trainer spielen eine Rolle, denn sie hätten die Möglichkeit einerseits korrekt und schonend (und oftmals zeitintensiv) auszubilden und andererseits ihre Zöglinge vor solchen Schnellschüssen zu bewahren. Dagegen spricht dann wohl der Ehrgeiz, so dass manch Trainer um seine Existenz bangen muss, wenn am Ende der Saison nicht genug Schleifen gesammelt sind.

Ein Teufelskreis. Und die Richter schütteln amtsmüde (?) mit dem Kopf.

 

Protokoll einer L-Dressur auf Kandare

L-Dressur auf 20 x 60m
L-Dressur auf 20 x 60m

Ich hatte neulich die Gelegenheit bei einer Dressurprüfung der Klasse L zu protokollieren. Es handelte sich um eine L**-Prüfung auf Kandare und konkret um die L10 der aktuellen Leistungsprüfungsordnung von 2012 auf einem 60er Viereck. Die L-Prüfung selbst ist sehr anspruchsvoll und durchaus zum Übergang zur Klasse M zu sehen. Es werden u.a. Schulterherein, Trabtraversalen, Übergänge vom Mittel- zum starken Schritt verlangt aber auch eine anspruchsvolle Galopptour. Es waren dabei Schlangenlinien auf der Mittellinie in 4 Bögen zu reiten, wobei der erste und vierte Bogen Handgalopp war, der zweite und dritte Bogen Außengalopp und über X musste von einem Außen- in den anderen Außengalopp einfach gewecheselt werden.

Nun bin ich ja kein Turnierreiter und war schon seit Langem auf keinem Turnier mehr. Protokolliert habe ich auf einem Turnier noch nie, aber das sollte der Sache keinen Abriss tun. Meine Erwartungen waren durchwachsen. Oft hört man ja, dass ein Problem der Reiterei bei den Richtern und den regionalen Turnieren läge. Es würde nach Nasenfaktor gerichtet, der oftmals mit Geld zu tun hat und der Rollkur könne hier Einhalt geboten werden, denn immerhin ist das die Basis … Viel Vorurteil also.

Dementsprechend habe ich mich zu Beginn der ersten Abteilung bei C sitzend eher zurückgehalten und erstmal fleißig geschrieben. Zu schreiben gab es viel, da die erste Abteilung aus den eher schwächeren Reiter-Pferd-Paaren bestand und hier sehr häufig die Note 0-5 vergeben wurde, die im Protokoll begründet werden muss. Im Schulterherein war sehr häufig zu viel Abstellung zu sehen, die Verstärkungen und Übergänge innerhalb der Gangarten waren vielfach nicht deutlich genug bzw. gar nicht zu sehen. Leider verritten sich auch einige Reiter. Einige Pferde hatten leider auch keine Nerven, was zu sehr spanningen Bewegungen und tw. groben Ungehorsam führte. Was auch sehr häufig zu sehen war und etwas verwunderlich war, ist, dass die Pferde nicht gerade auf der Mittellinie oder den langen Seiten ging. Sie waren in sich schief und schlecht eingerahmt.
Ich kann nicht sagen, ob die Noten gerechtfertigt waren, da ich dazu schlicht zu wenig Vergleiche habe, die Begründungen allerdings fand ich durchweg passend. Sicher sind sie sehr knapp und wiederholen sich, was einfach an der schnellen Abfolge der Lektionen liegt. Der Richter diktiert nunmal keinen Roman sondern in knappen Worten, was er sieht und die Note: „undeutlich, nicht gerade, zu viel Abstellung, LB & St verbessern (Längsbiegung und Stellung), Kurzkehrt gedreht …“

Bei der zweiten Abteilung, bei der ich mit der Richterin bei H saß, waren fortgeschrittenere Reiter zu sehen, was sich in den Noten und der Menge der Kommentare niederschlägt. Aber auch wenn die Noten in dieser Abteilung selten unter 5 gingen, gab es noch einiges zu schreiben: undeutliche Übergänge, zu großes Kurzkehrt, einfacher Wechsel über zu wenig Schritt. Der Notenschnitt war insgesamt besser, wie zu erwarten, aber auch nicht überragend. Insgesamt ging keine Wertung über 8.

Was mich positiv überraschte, war, dass auch oft zu enge Hälse als Bemekung ins Protokoll ging, genauso wie offene Mäuler und spanninge Tritte. Die Richterin wünschte sich mehr über den Rücken gerittene Lektionen. Auch die Outfits der Reiter wurden – außerhalb des Protokoll natürlich – kommentiert: ein Herr in Lacksteifeln, Strass wohin man nur schaut … Nix davon beeindruckte die Richter, genauso wenig, wie vergangene Leistungen, denn man kennt sich selbstverständlich in der Region und tw. darüber hinaus.

Das gesamte Feld von ca. 50 Pferd-Reiter-Paaren war sehr durchwachsen und mit Blick auf die schwere Aufgabe nicht sehr leistungsstark. Bei vielen Paaren fragte man sich, wie sie auf die Idee gekommen sind, an den Start zu gehen. Teilweise war auch für mich, als Turnier-Laien sichtbar, dass der Leistungsstand noch nicht da war. Als Erfahrungsritt kann man das eigentlich auch nicht bezeichnen, da dafür eine einfache L-Dressur oder gar nur eine A-Dressur ausreicht um Turnier-Luft zu schnuppern. Auch dürfte die ein oder andere Leistung ein negatives Bild auf die zugehörigen Trainer werfen?!

Liegt es möglicherweise an Selbstüberschätzung oder zu viel Ehrgeiz?

Eine Richterin erzählte mir von einem interessanten Erlebnis: Sie kritisierte vor der Prüfung ein Reiter-Pferd-Paar, dass Nasenriemen und Sperrriemen zu eng verschnallt seien. Das Pferd atmete wohl deutlich hörbar sehr schwer. Der Vater oder Trainer (oder beides) der Reiterin kritisierte daraufhin die Richterin, was sie sich da einmische. Die Leistung des Paares war dann wohl auch relativ schlecht, da das Pferd schon so ausgelaugt war, dass es nur durchs Viereck schlurfte. Das Reiter-Pferd-Paar war fortan auf keinem Turnier mehr in der Saison gesehen.
Tatsächlich ist die Ausrüstung kein Bestandteil der Prüfung. Durchfallende Kandaren, wie man sie beispielsweise zu Hauf gesehen hat, oder ein zu weit vorn liegender Sattel flossen somit nicht in die Wertung ein, abgesehen von den Folgen wie zum Beispiel zu wenig Schulterfreiheit.

Doch leider wurden nur ein Teil der Protokolle durch die Reiter abgeholt, dabei soll das Protokoll doch auf Fehler und Richtiges hinweisen, damit der Reiter weiß, woran er arbeiten muss. Man fragt sich zwangsläufig, warum einige Reiter kein Interesse in dieses Feedback haben und warum manch Reiter sogar ungehalten werden über, das was da zu lesen ist? Der Sinn einer Prüfung ist ja nicht Geld auszugeben und seine neue Strass-Schabracke rumzuzeigen, sondern sich einem Urteil zu unterziehen, um sich letztlich weiterzuentwickeln. Wer sich dem Turnier-Trubel aussetzt, sollte m.E. auch kritikfähig sein.

Reiten: Ich springe im Viereck

Ich befürchte ich werde morgen Muskelkater haben. Nicht vom Sport, sondern vom Reiten. Seit Januar, seitdem ich nach halbjähriger Absitenz wieder eine Reitbeteiligung habe, bin ich erstmals wieder im Viereck gewesen. Bisher war das nicht möglich, da der Reitplatz zur Reithalle überdacht wurde. Und da es heut ziemlich heiß war, habe ich beschlossen mit Mitosz die neue Halle zu erkunden und mal zu gucken, was er eigentlich kann und wo es hakt. Nach fünf Metern hab ich schon gemerkt, welche Muskeln ich im Gelände nicht benötigt habe.

Zunächst war Mitosz ziemlich träge und erst ein lieb gemeinter aber kräftiger Klapser mit der Gerte hat ihn etwas aufgemuntert. Auf die Zügelführung und Schenkel reagiert er recht gut, allerdings hab ich das Gefühl, dass ich für präzisere Ansagen, wohl Sporen hernehmen werde.
Seine Schokoladenseite ist definitiv die rechte Hand. Hier biegt er sich fast zu gut und löst sich auch gut vom Zügel. Links sieht das schon wesentlich anders aus. Mitosz hält kräftig gegen und erst wenn ich von ihm übertriebene Biegung verlange, löst er sich. Allerdings fällt er dann auf die innere Schulter – halt ich mit dem inneren Schenkel dagegen, drängt er weit nach Außen und verliert die Biegung. Interessanterweise fällt ihm das Schulterherein auf beiden Händen gleichschwer bzw. -leicht. Es ist kein schönes Schulterherein, eher ein Schultervor, aber die Tendenz ist spürbar. Dass er dabei in die Bahnmitte driftet ist erstmal nicht so dramatisch. Ein leichtes Kruppeherein konnte ich ihm auf beiden Händen auch abringen bevor wir in den Trab gewechselt sind.
Im Trab ist er erstmal dahin geschlürft. Mitosz scheint man fast ununterbrochen treiben zu müssen. Ich bin es bisher von meiner Pfefferoni gewöhnt gewesen, dass ich sie eher ständig einbremsen musste. Das ist also eine neue Erfahrung für mich, kann aber sicher nicht schaden. Im Trab ergab sich übrigens das selbe Bild. Mitosz macht sich fest auf der linken Hand und rollt sich auf der rechten fast ein. Gibt man ihm etwas mehr Zügel, kommt die Nase aber nach vorn, wo sie hingehört und er trabt wie ein schweizer Uhrwerk durchs Viereck.
Im Galopp wurde dann aber deutlich, dass auch die rechte Hand nicht so geschmeidig ist, wie sie im Schritt oder Trab zu sein scheint. Mitosz sprang mehrmals im Kreuzgalopp an. Erst als ich den verwahrenden äußeren Schenkel überdeutlich nach hinten gelegt hab, ist er sauber angesprungen. Die linke Hand war umso scchwieriger. Hier musste ich ihn ziemlich stark stellen, sonst wär er ununterbrochen im Außengalopp angesprungen. Aber war er einmal im Gang, ist er sauber einen Zirkel galoppiert. Da zu dem Zeitpunkt ein junger Shire-Horse-Hengst (wie aus dem Bilderbuch – toller Anblick) bei der Handarbeit war, hab ich auf weitere Experimente verzichtet. Eigentlich waren die auch gar nicht mehr nötig, denn Mitosz hat mit einem ganzen Zirkel Linksgalopp schon mehr gezeigt, als ich sehen wollte. Und da ich der Auffassung bin, man sollte dann mit der Arbeit aufhören, wenn die geforderte Übung geklappt hat und sie nicht unendlich wiederholen (das kann man machen, wenn die Übung sitzt), hab ich einen sichtlich zufriedenen Mitosz entlassen.

In der heutigen Stunde hab ich nicht besonders viel gemacht, aber ich weiß jetzt genauer, woran ich bei Mitosz bin (die Tendenzen hatten sich natürlich schon im Gelände abgezeichnet). Seine Ausbildung ist vollkommen in Ordnung, aber seine Muskulatur ist fest. Ich werd also demnächst verstärkt schauen, dass ich ihn auch am Boden gymnastiziere, damit seine Oberlinie geschmeidiger wird und ihm Biegung und Stellung leichter fällt. Dann sollten auch die Seitengänge besser werden und vielleicht können wir auch bald neue Übungen wie Renvers und Travers (später auch in höheren Gangarten) angehen.

Cavecon vs. deutscher Kappzaum

Zu dem Zweck hab ich übrigens vor, Mitosz an ein französischen Kappzaum zu nehmen (vorausgesetzt natürlich, seine Besitzerin ist einverstanden). Das französische Kappzaum, Cavecon, ist wesentlich leichter als ein schweres deutsches Kappzaum. Es ist schärfer als ein deutsches, da das Nasenstück eine lederummantelte flexible Fahrradkette mit etwa 1 cm Stärke ist. Im Vergleich dazu hat ein deutsches Kappzaum ein etwa 4cm breites, dick gepolstertes Ledernasenstück mit schweren Eisenbeschlägen. Das deutsche Kappzaum ist aber meist zu schwer und globig für kleine Pferdeköpfe (vor allem Vollblüter) und die Signale sind weniger präzise. Das Cavecon sendet deutlich klarere Signale, wird aber von Pferden mit empfindlichen Nasenrücken weniger angenommen. Das Cavecon kann übrigens auch gut zur Umstellung von Trense auf Kandare verwendet werden und ist deshalb sehr beliebt in der barocken und akademischen Reitkunst.
Es ist jedoch nicht mit einer Serreta zu verwechseln. Die Serreta ist die spanische Variante des Kappzaums mit einem festen Eisenbügel, der in der Mitte gezahnt ist. Diese Zahnung liegt auf dem Nasenrücken auf. Je nachdem ob das Eisen blank oder mit Leder ummantelt ist, wirkt es schärfer. So oder so sollte es ausschließlich von Profis verwendet werden, da die falsche Einwirkung auf den Nasenrücken erhebliche Schäden verursachen kann. Auch wenn das deutsche und französische Kappzaum weniger scharf sind als die Serreta, sollte man auch hier sich fachkundige Anleitung holen und nicht einfach losprobieren.
Egal welches Kappzaum man anschafft, sollte man auch ruhig ein paar Euro mehr investieren. Die billigen deutschen Kappzäume aus Nylon lassen sich nicht fest verschnallen und wandern am Pferdekopf. Dadurch wirkt der Führzügel bzw. die Longe nicht mehr da ein, wo sie soll, und der Backenriemen kann ins Auge verrutschen. Und da man ein Kappzaum nicht nur für die Ausbildung junger Pferde verwenden kann, ist so eine Investition auch nicht umsonst. Gerade ältere Pferd profitieren von regelmäßiger Bodenarbeit am Kappzaum.

Im Viereck springen

Zu guter Letzt noch etwas zum Titel dies Blogpost. Den Ausdruck „im Viereck springen“ kennt sicherlich jeder als Ausdruck dafür, sich aufzuregen. Ursprünglich stammt der Ausdruck aus der Reiterei und bezeichnet eine Übung der klassischen, barocken Reitkunst, die heutzutage kaum noch zu sehen ist, denn der Reiterei ist viel Können und Wissen verloren gegangen. Die Übung im Viereck zu springen wird im Galopp auf einem (Reit-)Viereck absolviert. Auf den Kanten wird im Renvers galoppiert und in den Ecken eine 3/4 Galopppirouette geritten und das durch alle vier Ecken und Kanten. Das „Springen“ kommt daher, dass man bei einem Takt Galopp auch vom Galoppsprung spricht.
So gesehen bin ich natürlich nicht im Viereck gesprungen, denn von dieser Übung sind nicht nur Mitosz und ich meilenweit entfernt.