Reiten: Ich springe im Viereck

Ich befürchte ich werde morgen Muskelkater haben. Nicht vom Sport, sondern vom Reiten. Seit Januar, seitdem ich nach halbjähriger Absitenz wieder eine Reitbeteiligung habe, bin ich erstmals wieder im Viereck gewesen. Bisher war das nicht möglich, da der Reitplatz zur Reithalle überdacht wurde. Und da es heut ziemlich heiß war, habe ich beschlossen mit Mitosz die neue Halle zu erkunden und mal zu gucken, was er eigentlich kann und wo es hakt. Nach fünf Metern hab ich schon gemerkt, welche Muskeln ich im Gelände nicht benötigt habe.

Zunächst war Mitosz ziemlich träge und erst ein lieb gemeinter aber kräftiger Klapser mit der Gerte hat ihn etwas aufgemuntert. Auf die Zügelführung und Schenkel reagiert er recht gut, allerdings hab ich das Gefühl, dass ich für präzisere Ansagen, wohl Sporen hernehmen werde.
Seine Schokoladenseite ist definitiv die rechte Hand. Hier biegt er sich fast zu gut und löst sich auch gut vom Zügel. Links sieht das schon wesentlich anders aus. Mitosz hält kräftig gegen und erst wenn ich von ihm übertriebene Biegung verlange, löst er sich. Allerdings fällt er dann auf die innere Schulter – halt ich mit dem inneren Schenkel dagegen, drängt er weit nach Außen und verliert die Biegung. Interessanterweise fällt ihm das Schulterherein auf beiden Händen gleichschwer bzw. -leicht. Es ist kein schönes Schulterherein, eher ein Schultervor, aber die Tendenz ist spürbar. Dass er dabei in die Bahnmitte driftet ist erstmal nicht so dramatisch. Ein leichtes Kruppeherein konnte ich ihm auf beiden Händen auch abringen bevor wir in den Trab gewechselt sind.
Im Trab ist er erstmal dahin geschlürft. Mitosz scheint man fast ununterbrochen treiben zu müssen. Ich bin es bisher von meiner Pfefferoni gewöhnt gewesen, dass ich sie eher ständig einbremsen musste. Das ist also eine neue Erfahrung für mich, kann aber sicher nicht schaden. Im Trab ergab sich übrigens das selbe Bild. Mitosz macht sich fest auf der linken Hand und rollt sich auf der rechten fast ein. Gibt man ihm etwas mehr Zügel, kommt die Nase aber nach vorn, wo sie hingehört und er trabt wie ein schweizer Uhrwerk durchs Viereck.
Im Galopp wurde dann aber deutlich, dass auch die rechte Hand nicht so geschmeidig ist, wie sie im Schritt oder Trab zu sein scheint. Mitosz sprang mehrmals im Kreuzgalopp an. Erst als ich den verwahrenden äußeren Schenkel überdeutlich nach hinten gelegt hab, ist er sauber angesprungen. Die linke Hand war umso scchwieriger. Hier musste ich ihn ziemlich stark stellen, sonst wär er ununterbrochen im Außengalopp angesprungen. Aber war er einmal im Gang, ist er sauber einen Zirkel galoppiert. Da zu dem Zeitpunkt ein junger Shire-Horse-Hengst (wie aus dem Bilderbuch – toller Anblick) bei der Handarbeit war, hab ich auf weitere Experimente verzichtet. Eigentlich waren die auch gar nicht mehr nötig, denn Mitosz hat mit einem ganzen Zirkel Linksgalopp schon mehr gezeigt, als ich sehen wollte. Und da ich der Auffassung bin, man sollte dann mit der Arbeit aufhören, wenn die geforderte Übung geklappt hat und sie nicht unendlich wiederholen (das kann man machen, wenn die Übung sitzt), hab ich einen sichtlich zufriedenen Mitosz entlassen.

In der heutigen Stunde hab ich nicht besonders viel gemacht, aber ich weiß jetzt genauer, woran ich bei Mitosz bin (die Tendenzen hatten sich natürlich schon im Gelände abgezeichnet). Seine Ausbildung ist vollkommen in Ordnung, aber seine Muskulatur ist fest. Ich werd also demnächst verstärkt schauen, dass ich ihn auch am Boden gymnastiziere, damit seine Oberlinie geschmeidiger wird und ihm Biegung und Stellung leichter fällt. Dann sollten auch die Seitengänge besser werden und vielleicht können wir auch bald neue Übungen wie Renvers und Travers (später auch in höheren Gangarten) angehen.

Cavecon vs. deutscher Kappzaum

Zu dem Zweck hab ich übrigens vor, Mitosz an ein französischen Kappzaum zu nehmen (vorausgesetzt natürlich, seine Besitzerin ist einverstanden). Das französische Kappzaum, Cavecon, ist wesentlich leichter als ein schweres deutsches Kappzaum. Es ist schärfer als ein deutsches, da das Nasenstück eine lederummantelte flexible Fahrradkette mit etwa 1 cm Stärke ist. Im Vergleich dazu hat ein deutsches Kappzaum ein etwa 4cm breites, dick gepolstertes Ledernasenstück mit schweren Eisenbeschlägen. Das deutsche Kappzaum ist aber meist zu schwer und globig für kleine Pferdeköpfe (vor allem Vollblüter) und die Signale sind weniger präzise. Das Cavecon sendet deutlich klarere Signale, wird aber von Pferden mit empfindlichen Nasenrücken weniger angenommen. Das Cavecon kann übrigens auch gut zur Umstellung von Trense auf Kandare verwendet werden und ist deshalb sehr beliebt in der barocken und akademischen Reitkunst.
Es ist jedoch nicht mit einer Serreta zu verwechseln. Die Serreta ist die spanische Variante des Kappzaums mit einem festen Eisenbügel, der in der Mitte gezahnt ist. Diese Zahnung liegt auf dem Nasenrücken auf. Je nachdem ob das Eisen blank oder mit Leder ummantelt ist, wirkt es schärfer. So oder so sollte es ausschließlich von Profis verwendet werden, da die falsche Einwirkung auf den Nasenrücken erhebliche Schäden verursachen kann. Auch wenn das deutsche und französische Kappzaum weniger scharf sind als die Serreta, sollte man auch hier sich fachkundige Anleitung holen und nicht einfach losprobieren.
Egal welches Kappzaum man anschafft, sollte man auch ruhig ein paar Euro mehr investieren. Die billigen deutschen Kappzäume aus Nylon lassen sich nicht fest verschnallen und wandern am Pferdekopf. Dadurch wirkt der Führzügel bzw. die Longe nicht mehr da ein, wo sie soll, und der Backenriemen kann ins Auge verrutschen. Und da man ein Kappzaum nicht nur für die Ausbildung junger Pferde verwenden kann, ist so eine Investition auch nicht umsonst. Gerade ältere Pferd profitieren von regelmäßiger Bodenarbeit am Kappzaum.

Im Viereck springen

Zu guter Letzt noch etwas zum Titel dies Blogpost. Den Ausdruck „im Viereck springen“ kennt sicherlich jeder als Ausdruck dafür, sich aufzuregen. Ursprünglich stammt der Ausdruck aus der Reiterei und bezeichnet eine Übung der klassischen, barocken Reitkunst, die heutzutage kaum noch zu sehen ist, denn der Reiterei ist viel Können und Wissen verloren gegangen. Die Übung im Viereck zu springen wird im Galopp auf einem (Reit-)Viereck absolviert. Auf den Kanten wird im Renvers galoppiert und in den Ecken eine 3/4 Galopppirouette geritten und das durch alle vier Ecken und Kanten. Das „Springen“ kommt daher, dass man bei einem Takt Galopp auch vom Galoppsprung spricht.
So gesehen bin ich natürlich nicht im Viereck gesprungen, denn von dieser Übung sind nicht nur Mitosz und ich meilenweit entfernt.